Buchbesprechung

«Bilder von Bildung»

Jochen Krautz. (Bild ts)

von Tankred Schaer

(29. November 2022) Jochen Krautz ist Kunstpädagoge an der Universität in Wuppertal und durch die von ihm initiierten bildungspolitischen Kongresse bekannt geworden. Er ist Präsident der Gesellschaft Bildung und Wissen.

Nun hat Professor Krautz dieses herrliche Buch «Bilder von Bildung» veröffentlicht. Einzelne wunderschöne Kunstwerke seiner Studenten und Schüler, Kunstwerke bekannter Künstler und Fotographien des Autors werden auf der linken Seite des Buches mit einem Text auf der rechten Seite gezeigt. In den Bildern und Texten entsteht eine überfällige und zugleich wirkungsvolle Wiederbesinnung auf das, was in unseren Zeiten in Vergessenheit gerät: Gute Schule vermittelt keine Wissensdaten, sondern ermöglicht einen Zugang zum Verstehen.

Das Buch beginnt mit einem Bild: Da liegt ein Buch auf dem blanken Betonboden. Wegen des Hochwassers im Ahrtal ist das Parkett und der Estrich entfernt worden. Wir befinden uns auf dem tiefsten Grund des Raumes – ehemals das Arbeitszimmer von Jochen Krautz. Bei der Rettung seiner Bücher fällt ihm das Buch «Krise und neuer Anfang» des bekannten Pädagogen Otto Friedrich Bollnow in die Hände. Das ist das erste Bild des Buches «Bilder von Bildung».

ISBN 978-3-532-62874-4

Mehr als ein wissenschaftlicher Text es kann, regt die Kombination von Bildern mit den Ausführungen des Autors zum vertieften Nachdenken an. Wir sollen den Dingen auf den Grund gehen und den Kern und den Ursprung der Sache ergründen. Nach Bollnow gehe es «um die Freilegung des verschütteten Grundes»: Was ist der Kern von Bildung? Krautz fordert angesichts der Krise von schulischer Bildung und pädagogischem Denken einen Neubeginn, eine Wiederbesinnung auf grundlegende Prinzipien – eine «Renaissance der Schule», wie auch der Untertitel des Buches heisst.

Krautz nähert sich dieser Fragestellung mit zahlreichen Bildern, die gewissermassen didaktisch aufgeladen sind, weil sie nach Interpretation und Einordnung verlangen. Da wirft der Betrachter einen Blick auf einen aufwendig und sorgsam vorbereiteten Versuch im Biologieunterricht mit Petrischalen und Wattepads, Nährstofflösung und Samen, alles beschriftet und wohlgeordnet. Das Kapitel trägt die Überschrift «Liebe zur Sache». Krautz fragt: «Zeugt dieser Aufwand nun von einer Fachidiotin, der Kinder gleichgültig sind? Oder ist ihr Engagement für die Sache nicht zugleich auch Ausdruck der Liebe zu den Kindern und Jugendlichen?»

An anderer Stelle wird der Leser mit einem anderen Aspekt von Unterricht konfrontiert. Das Bild im Buch zeigt ein Porträt von Johann Heinrich Pestalozzi, gemalt von Albert Anker. Krautz hat dieses Kapitel überschrieben mit dem Titel «Pädagogische Liebe» und meint damit «die liebende Hinwendung zu Kindern und Jugendlichen um ihrer selbst willen». Ohne diese werde Pädagogik zur Sozialtechnologie, wie sie heute oftmals propagiert werde. Dabei wende der Lehrer innerlich distanziert Methoden und Techniken an, um die Kinder zu irgendetwas zu bringen, damit diese «irgendwelchen Standards und Vergleichstests» genügten.

Es wird nachvollziehbar, dass guter Unterricht beides beinhalten muss: eine menschliche Annäherung an die Kinder und Jugendlichen, eine echte Beziehung, aber gleichzeitig auch die Liebe zur Sache, die professionelle Kenntnis des Unterrichtsfaches.

In den verschiedenen Texten zu Gemeinschaft, Konsequenz, Hausaufgaben, Emanzipation, ... werden von Professor Krautz Grundlagen einer echten und das heisst humanen Bildung für unsere Zeit anschaulich und sehr nachvollziehbar aufgezeigt.

Seite um Seite nähert sich der Leser beim Betrachten der Bilder und Erfassen der Texte der Beantwortung der Frage nach dem Kern von Bildung. Dies geschieht rational und – aufgrund des engagierten und leicht lesbaren, verständlichen und anrührenden Textes – auch emotional.

Der Autor schliesst sein Buch ab mit dem Kapitel «Hoffnung». Und das ist so schön und so anrührend geschrieben, dass es jeder selbst lesen sollte. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, auf eine menschlichere Menschheit bleibe «am Grund jedes pädagogischen Handelns». Und er stellt dann die Frage: Wessen Hoffnung ist es? Wer braucht hier wen am meisten? Die Kinder uns oder wir sie? Krautz schreibt: «Wir können diese Frage letztlich nicht beantworten. Eben hierin liegt die untrennbare Gegenseitigkeit der pädagogischen Beziehung. Wir brauchen einander, um die Hoffnung nicht zu verlieren.»

Jochen Krautz: «Bilder von Bildung». Claudius Verlage 2022, gebunden, 152 Seiten. ISBN 978-3-532-62874-4

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