Bleibt mutig!

Diesjähriger Ostermarsch in Büchel, US-Atomwaffenstützpunkt in der Eifel.
(Bild KEYSTONE/DPA/Thomas Frey)

Viele gegen die Ausweitung des Krieges und für Verhandlungslösungen

(30. Mai 2022) (Red.) Wenn man die üblichen Medien konsumiert – Anne Will bis Günther Jauch, FAZ bis NZZ, TAZ bis Spiegel – dann könnte man den Eindruck gewinnen, als sei «alle Welt» für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine.

Man darf sich aber nicht täuschen lassen. Dort werden nur die Meinungen präsentiert, mit denen wir manipuliert werden sollen. Natürlich sind diese Manipulationen nicht wirkungslos, aber nicht bei allen wirkt die Propaganda, und nicht für alle Zeit. Es gibt Anzeichen dafür, dass eine wachsende Mehrheit von Bürgern in Deutschland die Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine ablehnen.

57% der Bundesbürger fürchten eine Ausweitung des Krieges auf andere europäische Länder infolge der Waffenlieferungen. Nur noch 46% sprechen sich laut Umfrage für die Lieferung des Kriegsgeräts aus. Anfang April waren es noch 55%. Es kann also Entwicklung geben.1

Es melden sich immer mehr Stimmen zu Wort, die Verhandlungen statt einer weiteren Aufheizung des Krieges fordern.

  • Eine der bekanntesten ist der Offene Brief an Kanzler Scholz, den namhafte deutsche Intellektuelle unterzeichnet haben und der in der Zeitschrift Emma veröffentlicht wurde.2 Inzwischen – Stand 29.5.2022 – haben über 287 000 Bürger den Brief unterzeichnet. Der hat eine so grosse Wirkung, dass mehrere weibliche und männliche Talkmaster sich damit abmühen, ihn unschädlich zu machen.
  • Der Ramsteiner Appell, der sich seit Jahren dafür einsetzt, dass es auf deutschem Boden keine US-Militärbasen geben darf, fordert erneut, dass von deutschem Boden kein Krieg ausgehen darf. Ausserdem wendet er sich gegen die «äusserst aggressiv zelebrierte Russophobie von Aussenministerin Annalena Baerbock und anderen deutschen Politikern.3
  • IALANA Deutschland, die bekannte Vereinigung für Friedensrecht (International Association of Lawyers against Nuclear Arms) beklagt, dass die Bundesregierung nicht auf einer Verhandlungslösung bestanden und der Zuspitzung des Konflikts tatenlos zugeschaut habe. Sie fordert von Bundeskanzler Scholz: «Stoppen Sie die Waffenlieferungen an die Ukraine! Verhindern Sie, dass aus dem Krieg Russlands gegen die Ukraine ein unkontrollierbarer Flächenbrand und am Ende ein III. Weltkrieg wird.» Und: «Eine Lösung des Konflikts und einen Interessenausgleich gibt es nur am Verhandlungstisch.» Auch sie fordern: «Treten Sie einer um sich greifenden Russenfeindlichkeit entgegen.»4
  • ippnw, Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, fordert die Bundesregierung auf, auf eskalierende Massnahmen zu verzichten und den Verhandlungsweg zu suchen. «Wir müssen den Frieden selbst in die Hand nehmen. Am Ende wird nur Diplomatie, kontrollierte Abrüstung und gemeinsame Sicherheit der richtige Weg sein.»5 Sie warnen vor der «steigender Gefahr eines Atomkrieges.»6
  • Papst Franziskus mahnt auch ein Ende der Kriegshandlungen an und fordert, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. «Wir müssen nach Wegen des Friedens suchen und die Waffen stoppen», sagte er im Interview. Er zweifle, ob es zielführend sei, «die Ukraine jetzt mit Waffen zu beliefern».
  • «Verhandeln jetzt!» fordert pax christi, die internationale katholische Friedensvereinigung, und zeigt sich «tief besorgt darüber, dass sich in unserem Land wieder die Überzeugung durchsetzt, dass mehr militärische Unterstützung zu einer Lösung beitragen könnte. Wir stellen mit Entsetzen fest, dass Kriegsrhetorik und Kriegslogik in der Politik und in der Presse mittlerweile selbstverständlich geworden sind. Die Gefahr einer unkontrollierbaren Eskalation steigt stetig, die in letzter Konsequenz auch den Einsatz atomarer Waffen befürchten lässt. Vor diesem Hintergrund fordert der pax christi-Bundesvorstand die Bundesregierung auf, im Bemühen um einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine unter Einbeziehung der EU-Mitgliedsstaaten voranzugehen.»7
  • Das Netzwerk Friedenskooperative fordert: «Keine Waffenlieferungen in die Ukraine!»8
  • An den Ostermärschen wurde deutlich gegen die Waffenlieferungen an die Ukraine demonstriert.
  • Deutsche Politiker wie Baerbock, Habeck und Scholz hatten es schwer bei ihren Auftritten an Wahlkampfveranstaltungen in NRW. Die Proteste von Bürgern, die entsetzt sind über ihre Kriegspolitik, waren so laut, dass sie sich kaum Gehör verschaffen konnten. Baerbock wurde als «Kriegstreiberin» bezeichnet. Auch Kanzler Scholz und Minister Habeck wurden mit Pfiffen und Buhrufen konfrontiert.
  • «Nein zu Nato und Krieg – Ja zum Frieden». Ein klares Nein an die Kriegstreiber vor allem der Nato war die Friedenskonferenz am 21. Mai an der Berliner Humboldt Universität. Etwa 1000 Menschen nahmen vor Ort oder online teil. «Wir dürfen nicht müde werden, dem jetzt herrschenden Zeitgeist zu widersprechen», mahnte Oskar Lafontaine und fand dafür breite Zustimmung. «Wir dürfen nicht müde werden, darauf hinzuweisen, dass die Ostpolitik eine der besten Phasen der deutschen Aussenpolitik war.» Ihre Prinzipien seien richtig gewesen, so der Ex-Ministerpräsident des Saarlandes.
    Er widersprach damit jenen, die derzeit alle Erinnerungen an die Entspannungspolitik des 20. Jahrhunderts tilgen wollen, zu der SPD-Politiker wie Willy Brandt und Egon Bahr beitrugen. «Wir brauchen keine Aufrüstung, sondern Abrüstung», stellte er klar. «Wir brauchen gemeinsame Sicherheit. Das war die beste Formel, die gefunden worden ist. Man kann nur gemeinsam Sicherheit haben. Und wir brauchen eben Wandel durch Annäherung, auch wieder mit Russland.» Dazu gehöre auch der kulturelle Austausch, der Menschen zusammenführe, aber der derzeit von westlicher Seite zerstört werde, wie der Ex-SPD-Politiker beklagte.
    Weitere Referenten waren Gabriele Krone-Schmalz, Norman Paech, Anu Chenoy, Alexej Gromyko, Andrej Hunko, Daniela Dahn, Sevim Dagdelen, Eugen Drewermann und andere.

Es gibt darüber hinaus noch eine stets wachsende Zahl von Persönlichkeiten und Organisationen, die sich gegen diesen Krieg und dessen Aufmunitionierung mit immer mehr Waffen engagieren. Wir können sie hier nicht alle aufzählen. Ein Aufruf sei aber doch noch genannt: der von SPD-Urgestein Albrecht Müller.

Auf seinen «Nachdenkseiten» richtet er einen Appell an uns alle: «Wer keinen Krieg will, muss das Gespräch mit anderen Menschen suchen. Dringend. Unentwegt.» Wir sind sicher, dass wir hier alle etwas in der Hand haben. Viele Menschen, wenn auch nicht alle, sind ansprechbar. Im persönlichen Gespräch können wir viel bewirken, auch wenn wir uns nicht auf die Mainstream-Medien abstützen. Suchen wir das Gespräch, ohne Appell und Besserwisserei, ohne den erhobenen Zeigefinger und auch mit Verständnis gegenüber der vielleicht anderen Meinung des Gesprächspartners. Brechen wir nicht ab, sondern bleiben wir in der Diskussion. Das ist etwas, was wir als Bürger in der Hand haben. Jeder von uns.

1 https://www.rnd.de/politik/umfrage-zu-krieg-in-ukraine-das-denken-die-deutschen-ueber-waffenlieferungen/

2 https://www.emma.de/artikel/offener-brief-bundeskanzler-scholz-339463

3 www.ramstein-kampagne.eu: https://www.stoppramstein.de/

4 IALANA – Juristen und Juristinnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen – Offener Brief an Bundeskanzler Scholz zum Krieg in der Ukraine: https://www.ialana.de/arbeitsfelder/konflikte-kriege-und-loesungstrategien/aktuelle-brennpunkte/ukraine/2858-offener-brief-an-bundeskanzler-scholz-zum-krieg-in-der-ukraine

5 Appell Die Waffen nieder – IPPNW.DE: https://www.ippnw.de/index.php?id=1115

6 Ukraine – IPPNW.DE: https://www.ippnw.de/frieden/konflikte-kriege/ukraine/artikel/de/ippnw-warnt-vor-steigender-gefahr-ei-1.html

7 Weltwoche Nr. 19, 12. Mai 2022, Seite 52

8 Keine Waffenlieferungen in die Ukraine! – Netzwerk Friedenskooperative: https://www.friedenskooperative.de/aktuelles/keine-waffenlieferungen-in-die-ukraine

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