Krieg statt Verhandlungen?

Die Geschichte von einem, der seine Familie umbringt, und sagt, er helfe damit einem guten Freund

von Jakob Wehrli

(22. Mai 2022) Wie kann man mit noch mehr Waffen Frieden schaffen? Diese Frage stellt sich aktuell. Blickt man in die Medien, dann fällt die Antwort eindeutig aus: Nur mit noch mehr Waffenlieferungen und noch mehr Panzern und noch mehr Kriegseinsatz kann der Feind, sprich Russland, zum Frieden gezwungen werden. Denn dieser Feind sei so böse, dass nur die Sprache der Stärke und nur ein militärischer Sieg zum Frieden führten. Um es gerade vorwegzunehmen, in diesen Augen ist jeder, der auch nur über Verhandlungen spricht oder sie anstrebt, ein Freund des Bösen. Womit sich auch jede weitere Diskussion darüber erübrigt.

Informiert man sich in den Tagesmedien, dann erfährt man nichts über die vielen Bemühungen Russlands um Friedensverhandlungen, um Sicherheitsgarantien für das eigene Land – eigentlich so, wie es in den Minsker-Abkommen zwischen dem Westen, der Ukraine und Russland 2015 völkerrechtlich verbindlich im Rahmen der UNO abgemacht war.

Wer will Krieg?

Auch die Menschen in der Ukraine waren und sind kaum daran interessiert, dass ihre Verwandten und Freunde umkommen, ihre Kinder im Krieg gross werden, ihre Häuser zerstört und ihr bescheidener Wohlstand vernichtet wird.

Und auch wir haben kaum Interesse daran, dass die Preise für Lebensmittel exorbitant steigen, wir im Winter frieren, unsere Arbeitsplätze gefährdet werden und die Gefahr eines Atomkrieges zusehends greifbarer wird.

Macht, Ehrgeiz, Geldgier …

Ernsthafte Verhandlungen wären einfach. Wer die Einigung will, findet einen Weg. Nur Eigeninteressen, Macht, Geldgier, Prestige, Korruption, Dummheit oder Erpressbarkeit Einzelner verhindern auf Kosten der Allgemeinheit den Weg dorthin.

Ist es so, dass einzig noch mehr Waffen den Frieden bringen? Wie von Geisterhand wird Europa immer stärker in einen kriegerischen Konflikt mit offenem Ausgang hineingetrieben. Was als Empörung über den russischen Einmarsch in die Ukraine begann, wird zu milliardenteuren Waffenlieferungen, zu Söldnertum, zu einem globalen Wirtschaftskrieg, der wieder einmal die Ärmsten auf der ganzen Welt treffen wird. Für wen?

Hass auf alles Russische erzeugt

Inzwischen wurde ein Hass auf alles Russische erzeugt mit erschreckenden Diskriminierungen selbst von ahnungslosen Künstlern, ja sogar von klassischen Malern und Komponisten. Geradezu surreal mutet es an, wenn ein Stück von Peter Tschaikowsky kurzfristig «wegen Russland» ausgetauscht wird. Verantwortliche, überschlagen sich darin, in übereiltem (kopflosem) Handeln gut dazustehen. Vor wem eigentlich? Diese Angststimmung und der vorauseilende Gehorsam sind der fatale Nährboden für die Akzeptanz der weiteren kriegstreibenden Handlung.

East StratCom Task Force

Ohne diesen makabren «Rückhalt» in der Bevölkerung kann keine Regierung kriegerische Handlungen führen – erst recht dann nicht, wenn das Land sich im Selbstverständnis dem Frieden oder der Neutralität verschrieben hat. Nun wird dieser «Rückhalt» zurzeit künstlich hergestellt: Etwa 150 PR-Agenturen weltweit, die an die Nato angebunden sind, bearbeiten generalstabsmässig über die Medien die Bevölkerungen im Westen. Aufgebaut und entwickelt wurde diese Maschinerie in den vergangenen Jahren (East StratCom Task Force).

Ihre Aufgabe besteht darin, die kriegerische Stimmung in der Bevölkerung durch die Auswahl und den Spin der Nachrichten, die sie an die Medien weiterleiten, aufrecht zu halten. Wir leben heute im Westen – wohlgemerkt im Westen – in einer Blase der Kriegspropaganda. Kann das sein?

Wer sich die Arbeit macht, die Meldungen der Mainstreammedien mit verschiedenen Nachrichten aus anderen Gegenden der Welt zu vergleichen, kommt zu einer realistischen Einschätzung. In Lateinamerika, Asien oder Afrika schätzt man die Situation völlig anders ein als unsere westlichen Schreibtischtäter in den Redaktionen.

Waffenruhe, Waffenstillstand, die Einstellung von Kriegshandlungen: Verhandlungen können, wenn sie ernsthaft betrieben werden, sehr schnell zu einer dauerhaften Einstellung der kriegerischen Handlungen führen. Solange jedoch andere Interessen im Spiel sind, wird es immer wieder zu Störungen kommen. Zum Konflikt in der Ukraine liegen inzwischen viele verschiedenen brauchbare Vorschläge für Friedensverhandlungen vor. Wer stört also?

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