Vor Kummer schreien und trotzdem hoffen

von Suzette Sandoz,* Lausanne

(5. Juli 2024) Waren sich die Ägypter, die Griechen und die Römer des Endes ihrer Zivilisation bewusst? Und haben all die Völker, die untergegangen sind und deren Ruinen uns ihre einstige Grösse vor Augen führen, ihre Vernichtung bewusst in Kauf genommen?

Suzette Sandoz. (Bild
https://blogs.letemps.ch/
suzette-sandoz/)

Diese Frage treibt mich um, wenn ich dem geplanten Untergang des Abendlandes beiwohne. Zuerst der Untergang Europas, der dank seiner Unterwerfung unter die USA und seiner Blindheit im Ukraine-Krieg erreicht wurde, während die vielen europäischen Mini-Staatschefs und leider auch die Neutralitätsverscherbler in der Schweiz sich als geniale Tugendbolde aufspielen; dann der Untergang der USA, die unfähig sind, ihren Wählern Präsidentschaftskandidaten zu präsentieren, die mehr sind als zwei Marionetten in den Händen einiger mächtiger Geldgeber: eine erschreckende Degeneration der Demokratie.

Nach dem Untergang des Römischen Reiches entstand eine Kraft, die den Aufbau des Westens ermöglichte: das Christentum. Inzwischen hält sich der westliche Mensch immer mehr für seinen eigenen Schöpfer: Er erschafft sein Klima, seine Fortpflanzung und neue Geschlechter, er erschafft sogar seinen eigenen Gott, der Mann und Frau ist – im Moment sieht er ihn nur binär, aber das wird wohl nicht lange so bleiben.

Welcher Wert, welche schöpferische Kraft wird die Zukunft sichern? Wir haben nicht das Recht, die kommenden Generationen in Verzweiflung zu stürzen. Die Zukunft existiert. Sie hängt von unserer Fähigkeit ab, ein Konzept des Lebens, der Hoffnung und des Friedens zu verwirklichen und weiterzugeben, aber sie wird auch einige Jahrhunderte der Demut erfordern. Möge sie nicht zwangsläufig durch ein Blutbad führen!

*  Suzette Sandoz ist 1942 geboren. Sie ist Honorarprofessorin für Familien- und Erbrecht, ehemalige Abgeordnete des Grossen Rates des Kantons Waadt und ehemalige Nationalrätin.

Quelle:https://suzettesandoz.ch/crier-de-chagrin-mais-esperer-quand-meme/, 27. Juni 2024

(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)

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