Warum mich der Umgang mit Corona verzweifeln lässt

Guy Mettan (Bild zvg)

Von Guy Mettan, freischaffender Journalist, Genf

(3. Oktober 2021) In ihrem Leitartikel vom vergangenen Sonntag [12. September] spricht Ariane Dayer von einem «Schweizer Geheimnis» und fragt nach den Gründen, warum so viele Schweizerinnen und Schweizer zögern, sich impfen zu lassen. Eine ausgezeichnete Frage... auf die sie sich hütete zu antworten. Sie begnügte sich damit zu sagen, wir «sollten versuchen zu verstehen».

Genau da liegt das Problem. Seit Beginn der Krise hat niemand versucht zu verstehen, warum ein grosser Teil der Bevölkerung den vorgeschlagenen Lösungen skeptisch gegenüberstand. Die medizinische Technokratie, die Politiker und die Medien haben sich nie darum bemüht. Sie weigern sich, irgendetwas in Frage zu stellen, und sei es auch nur das Geringste, und verachten diejenigen, die es wagen, Fragen zu stellen und Antworten zu verlangen, die über die üblichen autoritären Argumente hinausgehen, in der Art wie «Haltet den Mund, wir wissen es besser als ihr».

Aber ich bin meiner Kollegin Ariane dankbar, dass sie mir die Türe in dem Moment geöffnet hat, als ich mich unter Druck entschloss, mich impfen zu lassen, weil ich eine betagte Person betreue. Ich werde also versuchen zu erklären, warum ich nicht gegen die Impfung, sondern gegen die Impfpflicht und die Art und Weise, wie diese Krise gehandhabt wurde, war – und es immer noch bin.

Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass meine Bedenken nicht auf einer Aversion gegen technologische Risiken beruhen und sich auch nicht gegen die Medizin oder die Wissenschaft als solche richten. Ohne sie wäre ich bereits zwei- oder dreimal gestorben, und ich habe mich in Kuba freiwillig einer Augenoperation unterzogen, wobei ich dem Krankenhaus hundert Dollar für die Inbetriebnahme des Generators bezahlt habe, für den Fall eines Stromausfalls während den für diesen Tag geplanten Operationen.

Zusammengefasst gibt es zwei Hauptgründe für meine Verzweiflung: das Gefühl, für dumm verkauft zu werden, und die Weigerung einzugestehen, dass die ergriffenen Maßnahmen eine schwere Verletzung der Freiheit und der Demokratie darstellen, wobei erstere meine persönliche Würde und letztere meine Würde als Bürger verletzen.

Von Anfang an war ich schockiert über die Trägheit, dann über die Inkompetenz und schließlich über die Unverhältnismäßigkeit der geplanten Maßnahmen. Ich erinnere mich noch daran, wie die französische Gesundheitsministerin Agnès Buzyn und Daniel Koch1 im Januar 2020 im Fernsehen erklärten, dass das Virus unsere Länder nicht erreichen würde und wir nichts zu befürchten hätten. Zwei Monate verstrichen, ohne dass etwas unternommen wurde, und dann stellte sich heraus, dass wir weder über das notwendige Material noch über die Infrastruktur verfügten, dass uns Lügen erzählt wurden (über das Tragen von Masken und über Tests, die nicht empfohlen wurden, bevor sie zur Pflicht wurden) und dass wir versuchten, China und der WHO die Schuld in die Schuhe zu schieben, um unser Versagen besser zu verbergen.

Diese anfänglichen Fehler hätten verziehen werden können, wenn man sich die Mühe gemacht hätte, sich zu entschuldigen, was aber nie geschah. Schlimmer noch, die Exzesse wurden fortgesetzt, indem allgemeine und wahllose Massnahmen durchgesetzt wurden (die in den Pandemieplänen nicht vorgesehen waren), indem den niedergelassenen Ärzten verboten wurde, ihre Patienten zu behandeln (eine Unverschämtheit! ), durch die Umwandlung der Alters- und Pflegeheime in Gulags mit Zutrittsverbot für die Angehörigen (Vorschriften schlimmer als im Gefängnis), und durch das Verbot jeglicher empirischer Behandlungsversuche, selbst wenn diese so harmlos und bewährt sind wie mit Hydroxychloroquin (vom Direktor von Novartis zu Beginn der Krise empfohlen) und Ivermectin (mit einem Nobelpreis ausgezeichnet).

Bis heute verstehe ich nicht, warum diese Behandlungen immer noch bekämpft werden, trotz des Skandals um die Zeitschrift Lancet, die zum Rückzug eines Artikels gezwungen wurde, trotz Remdesivir (empfohlen trotz seiner Schädlichkeit und Unwirksamkeit), trotz des Scheiterns der europäischen Discovery-Studie (die ihre Wirkungen analysieren sollte), und warum für sie immer noch lange und sehr kostspielige randomisierte Studien erforderlich sind, während die Impfstoffe zugelassen wurden, bevor die letzte Studienphase abgeschlossen war. In diesem Zusammenhang bin ich sehr erstaunt, dass im Falle des AIDS-Impfstoffprojekts, dessen Entdeckung gerade vorgestellt wurde, zwei Jahre eingehender Studien vor einem möglichen Einsatz vorgesehen sind, während es nur wenige Monate dauerte, bis die Impfstoffe gegen Covid zugelassen wurden.

Dies hat viel dazu beigetragen, Zweifel an der Integrität der medizinischen Forschung und der Krankenhaus-Technokratie zu säen. Sie scheint das Pharmakartell schützen zu wollen, indem sie randomisierte Studien verlangt, die sich nur grosse Pharmaunternehmen leisten können. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass sich Universitäten und Krankenhäuser weigern, der Öffentlichkeit die Interessenverbindungen der Forscher und die Beträge, die sie von privaten Stiftungen und grossen Pharmaunternehmen für ihre Forschung erhalten, offen zu legen. Zu keinem Zeitpunkt der Krise haben sie sich die Mühe gemacht, der Öffentlichkeit zu erklären, wie sie ihre natürliche Immunität durch Lebensweise, Ernährung, Vitaminzufuhr usw. verbessern kann.

Auch die Intransparenz der Verträge für den Kauf von Impfstoffen, der Zulassungsverfahren, der chemischen Zusammensetzung und der ungeheuren Gewinne, die die Hersteller auf dem Rücken der Steuerzahler machen, spricht nicht für sie. Und schließlich sind die Zweifel umso mehr berechtigt, als die Anerkennung chinesischer, russischer oder kubanischer Impfstoffe hartnäckig verweigert wird, und zwar unter Vorwänden, die vermutlich mehr mit Politik und Protektionismus als mit Medizin zu tun haben.

Politisch war der Umgang mit der Krise noch schlimmer. Man hatte den Eindruck, als ob sich die Politiker einen ständigen Wettbewerb um Zwangsmassnahmen lieferten – darum, wer als Erster die extremste Massnahme vorschlägt, um ins Fernsehen zu kommen und die anfänglichen Nachlässigkeiten vergessen zu lassen. Dann begann mit Unterstützung der Medien die angsterzeugende Erpressung: Bettenbelegungsrate, Zahl der täglichen Todesfälle und Reproduktionsrate des Virus machten monatelang Schlagzeilen, bevor sie weitgehend in Vergessenheit gerieten! Heute, während der Einführung des Covid-Zertifikats, kursieren keine Zahlen mehr, außer einer hypothetischen Überbelegung der Betten (die in erster Linie auf eine Reduktion der verfügbaren Betten zurückzuführen ist!) Man weiss nicht einmal mehr, nach welchen Kriterien die Impfpflicht auferlegt wird und wieder aufgehoben werden könnte. Gleichzeitig lässt die Wirkung der Impfung nach, wie es in Israel der Fall ist, einem der Länder mit der weltweit höchsten Impfquote, dessen Infektions- und Sterblichkeitsraten jedoch nicht zurückgehen (siehe Le Figaro vom 5. September).

Man könnte auch die hartnäckige Weigerung der gewählten Vertreter anführen, Rechenschaft abzulegen, eine Bilanz der Krisenbewältigung zu ziehen, das Plagen der unglücklichen Café- und Restaurantbesitzer und der Theater, die ihre Säle in Desinfektionskammern verwandelt haben, die Grundrechtsverletzungen anzuerkennen, eine versteckte Erpressung der Nichtgeimpften durchzusetzen, obwohl das Gesetz die Impfpflicht verbietet, die Familien und die Gesellschaft in sich gegenseitig hassende Clans zu spalten (viele Geimpfte sind weit davon entfernt, beschwichtigt und beruhigt zu sein, ihre Wut auf die Nichtgeimpften wird verstärkt), Generationen von Schülern und Studenten zu opfern, indem man ihnen das Recht auf ungehinderten Zugang zum Unterricht vorenthält.

Schließlich sind die Medien zu erwähnen, die während der gesamten Krise eine enttäuschende Rolle gespielt haben. Ihnen fehlte es an kritischem Geist gegenüber Gesundheitstechnokraten, sie machten Skeptiker lächerlich, vervielfachten moralische Belehrungen und zukunftslose Ankündigungen und weigerten sich, kritische Stimmen zu Wort kommen zu lassen, selbst wenn sie aus der etabliertesten Wissenschaft kamen, leugneten sie die verheerenden Auswirkungen der Massnahmen auf die öffentlichen Freiheitsrechte und die psychische Gesundheit, und machten sich lächerlich über alternative Modelle wie das schwedische, das die Krise erfolgreich bewältigt hat, ohne seine Bürger zu bevormunden noch ihre Freiheitsrechte zu gefährden.

Kurzum, es gibt immer gute Gründe, zu zweifeln. In einem Monat werde ich, wenn alles gut geht, geimpft sein, mich in der überwachten Freiheit befinden und bei jedem Ausgang mein Covid-Zertifikat vorweisen. Es wird jedoch lange dauern, bis ich die erlebte Schmach verziehen habe. Ich werde mich immer damit trösten können, dass trotz aller angekündigten Katastrophen die tödliche Covid-Pandemie es der Schweiz erlaubt hat, um 61 000 neue Einwohner zuzunehmen und der Weltbevölkerung, um weitere 70 Millionen Seelen pro Jahr zu wachsen...

* Guy Mettan ist Politologe und Journalist. Seine journalistische Karriere begann er 1980 bei der Tribune de Genève und war von 1992 bis 1998 deren Direktor und Chefredaktor. Von 1997 bis 2020 war er Direktor des «Club Suisse de la Presse» in Genf. Heute arbeitet er als freischaffender Journalist und Buchautor.

1 Damaliger Leiter der Abteilung «Übertragbare Krankheiten» des Bundesamtes für Gesundheit (BAG)

(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)

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