Energiewende

Windkraft – nur heisse Luft?

Windkraftanlage im Kanton Bern auf dem Mont Crosin bei
St. Imier. Die Energiebilanz von Windkrafträdern ist schlecht.
Mit alternativen Energieformen allein wird die «Energiewende»
kaum möglich sein. (Bild KEYSTONE/Gaetan Bally)

Ueli Gubler* im Gespräch über die Schweizer Energiewende

(14. Dezember 2021) Viele Regierungen, unter anderem auch diejenige der Schweiz, haben sich auf Grund der vorausgesagten Klimaerwärmung dazu entschieden, den CO2-Ausstoss im Land zu minimieren. Es wird davon ausgegangen, dass der menschengemachte CO2-Ausstoss Grund für einen prognostizierten Temperaturanstieg der Erde ist.1

Da nicht nur CO2-emittierende Energieformen ausgeschlossen werden sollen (Kohle, Erdgas, Erdöl), droht die geplante Energiewende in eine Versorgungskrise zu münden. Denn parallel steht der Ausstieg aus der Atomkraft bevor, der 2011 unter dem Eindruck des Fukushima-Unglücks in Deutschland und der Schweiz beschlossen wurde. «Schweizer Standpunkt» hatte die Gelegenheit mit Ueli Gubler darüber ins Gespräch zu kommen.

«Schweizer Standpunkt»: Herr Gubler, die geplante Energiewende wird nicht umsonst zu haben sein, sowohl in finanzieller Hinsicht als auch von unserem Lebensstandard her. Es zeichnet sich ab, dass in den Wintermonaten zu wenig Strom vorhanden sein wird. Die Schweiz wäre auf Importe aus dem Ausland angewiesen. Doch bevor wir uns der Frage zuwenden, wie realistisch die Energiewende ist – wie hoch werden die Kosten wohl ausfallen?

Einstimmen auf «Engpässe»

Ueli Gubler: Im Abstimmungsbüchlein zum Energiegesetz («Energiestrategie 2050») beruhigte uns der Bundesrat 2017 noch mit Kosten von 40 Franken pro Haushalt und Jahr. 2021 eröffnete Bundesrätin Simonetta Sommaruga den Abstimmungskampf über das CO2-Gesetz mit der Feststellung, dass die Energiewende wohl 100 Milliarden kosten werde. Dabei handelt es sich nur um die Investitionskosten. Das werden dann gut und gern für einen Drei-Personenhaushalt über 25 Jahre jedes Jahr 1500 Franken sein – wohlgemerkt, ohne die Preissteigerung bei den Energiekosten zu berücksichtigen.2

Wäre von Anfang an ehrlich vom Bundesrat kommuniziert worden, wäre die «Energiestrategie 2050» schon damals, wie das CO2-Gesetz in diesem Jahr, bachab geschickt worden. 100 Milliarden entsprechen der Summe, die Deutschland in den letzten 20 Jahren für seine Energiewende aufgewendet hat – mit nicht gerade überzeugendem Erfolg.

Die «Energiestrategie 2050» geht davon aus, dass im Sommer Strom exportiert und im Winter importiert werden muss und kann. Deutschland will aber bis 2023 seine verbliebenen sechs AKWs abstellen und ab 2030 fortlaufend die Kohlekraftwerke. Auch die Schweiz hat den Ausstieg aus der Kernkraft beschlossen. Europaweit wird das zu einem Strommangel führen. Da wird es dann nichts zu importieren geben. Langsam dämmert es in den Parlamenten. Doch statt für genügend Strom zu sorgen, stimmt man uns auf Stromengpässe ein.

Erstaunlich, diese gravierende Differenz in solch einer kurzen Zeit … Herr Gubler, jetzt sollen einerseits CO2 emittierende Energieerzeuger wie Kohle, Gas oder Erdöl von der Stromerzeugung ausgeschlossen werden, andererseits steigen wir aus der Kernkraft aus. Für die Energiewende bleiben die sogenannten alternativen Energien: Sonne, Wind, Erdwärme und Wasser. Das ist doch erfreulich – nur noch saubere Energie. Sehen Sie da Probleme?

Ja, es gibt gravierende Probleme. Denn Strom aus Kohle- und Kernkraftwerken decken die Grundlast, das heisst sie liefern rund um die Uhr, jahreszeitunabhängig Strom. Mit der Wasserkraft konnten und können wir die Spitzen ausgleichen. Wind- und Solarstrom stehen irgendwann zur Verfügung. Der Wind lässt in der Regel während der Nacht nach. Das liesse sich vielleicht mittels Energiespeicher überbrücken. Die entsprechende Technik gibt es allerdings immer noch nicht. Weit gravierender sind jedoch die saisonalen Schwankungen zwischen Sommer und Winter. Sie betragen bei der Sonne 1:5 und beim Wind 1:2. Solche riesigen Strommengen lassen sich mit allen Mitteln der Welt nicht horten.

Was bedeutet die Energiewende für unsere Stromnetze?

Das wurde bis anhin noch gar nicht diskutiert – der Umbau der Stromnetze. Die heutige Versorgung funktioniert wie das Strassennetz: von der Autobahn in die Überlandstrassen – von dort in die Siedlungen und dann in die Erschliessungsstrassen.

Wenn nun Sonnen- und Windstrom an den Netzenden produziert werden, dann sind dort die Querschnitte zu klein und müssten erweitert werden. Die Überlandleitungen braucht es dann nicht mehr oder nur noch bedingt. Es sind nicht nur die Leitungen, sondern auch die Transformatorenanlagen, welche angepasst werden müssen. Je nach Netz wird der Strom mit 380 000, 220 000, 40 000, 400 oder 230 Volt transportiert.

Was hat das für Konsequenzen für die Netzstabilität?

Um es sich besser vorstellen zu können: Es ist nicht so, dass bei Stromknappheit die Lampen etwas schwächer scheinen und das Wasser auf dem Herd etwas länger braucht, bis es siedet.

Sinkt die Spannung im Netz nur minimal, so sinkt die Frequenz (50 Hertz pro Sekunde). Bereits bei einer Abweichung von 0,2 Hertz wird es kritisch. Das Stromnetz muss dann gestützt werden, sonst bricht es zusammen und es wird dunkel. Wir haben dann einen «Blackout». Je nach der Schwere der Panne kann es Stunden oder bis zu Tage dauern, bis das Netz wieder «steht».

Da der Wind- und Sonnenstrom unregelmässig ist, also nicht planbar anfällt, wird es immer schwieriger, das Netz in der Balance zu halten. Je grösser deren Anteil, desto heikler wird es. Viele wissen es nicht, aber am 8. Januar 2021 schrammte das europäische Netz um 14 Uhr haarscharf an einem Zusammenbruch vorbei.

«Dunkelflaute»

Im Zusammenhang mit der Unregelmässigkeit von Sonnen- und Windenergie wird oft von «Dunkelflaute» gesprochen.

Die Wortkombination deutet an, dass es nachts dunkel ist oder tagsüber manchmal stark bewölkt. Es fällt dann kein Sonnenstrom an. Beträgt die Einstrahlung im Sommer bis zu 800 Watt pro Quadratmeter (W/m2), sinkt sie im Winter auf unter 200 W/m2. Fällt dann auch noch der Wind aus (Flaute) – und das ist nachts die Regel – so fallen beide Energien aus: «Dunkelflaute».

Wirken sich diese Schwankungen schon heute kostenmässig aus?

Ja, um die Netzstabilität aufrecht erhalten zu können, wendet Deutschland bereits über 1 Milliarde Euro jährlich auf. In den Kosten ist auch die Abriegelung von Überschussstrom und der Notzukauf bei Dunkelflauten enthalten.

Angenommen unser Stromnetz bricht zusammen. Wir haben einen Blackout.3 Was bedeutet das?

Das hängt davon ab, wie lange es dauert, bis unsere Netze wieder hochgefahren werden können. Wenn sich unsere Trinkwasserreservoirs geleert haben, ohne dass sie nachgefüllt werden können – dazu benötigen wir meistens Elektrizität –, haben wir kein Wasser mehr. Wenn die Lebensmittel in den Supermärkten aufgetaut sind, müssen diese tonnenweise entsorgt werden. Die Läden dürften ohnehin geschlossen sein, weil die Kassen und der ganze Zahlungsverkehr lahmgelegt sind. Die Computer- und Telekommunikationsnetze fallen aus usw.

«Ohne Wind kein Strom»

Noch einmal zur Windkraft. Neben der Sonne, die nicht immer scheint und im Winter seltener zu sehen ist, setzen wir auf Windkraft. Aber auch die Windkraft scheint keine konstante Grösse zu sein. Sie soll nun aber einen bedeutenden Teil der alternativen Energien übernehmen und die Schweiz mit in eine grüne Zukunft führen. Welche Probleme sehen Sie für die Windkraft? Wie sinnvoll sind Windanlagen in der Schweiz?

Salopp kann man sagen: «Ohne Wind kein Strom». An der Nordseeküste herrscht der doppelte Wind wie bei uns: 9 m/sec gegenüber 4,5 m/sec. In der Strömungslehre gibt es das sogenannte V3-Gesetz. Es besagt, dass die Energie in der dritten Potenz der Strömungsgeschwindigkeit zu- oder abnimmt. Doppelter Wind bedeutet also: achtfache Ausbeute. Dasselbe Windrad liefert bei uns nur 1/8 gegenüber demselben an der Nordseeküste. Das sagt eigentlich schon alles.

Sie haben die Effizienz der Windkraft angesprochen. Wo steht sie im Vergleich mit anderen Energiequellen?

Die Auslastung von Stromerzeugungsanlagen wird mit der sogenannten «Volllaststunde» ausgedrückt. Man bildet den Quotienten zwischen der erzeugten Strommenge und der installierten Leistung einer Anlage und setzt die Zahl ins Verhältnis zur Zeitspanne (in der Regel zu den 8760 Stunden pro Jahr). Am besten schneidet die Geothermie mit 95% ab. Am schlechtesten schneiden die Windenergie mit 16% und die Sonnenenergie mit 12% ab.

6000 Windkrafträder auf 600 km2?

Wie muss man sich die Schweiz mit ausreichenden Windkrafträdern und Photovoltaikanlagen vorstellen?

Neben der miserablen Auslastung ist auch die geringe Energiedichte von Wind und Sonne zu berücksichtigen. Die Atomkraftwerke der Schweiz haben eine Leistung von 3000 MW. Ein Windrad bringt es auf 3 MW. Das bedeutet, dass bei einer Auslastung von 100% 1000 Windräder erforderlich wären. Wegen der Auslastung von 16% sind deshalb rund 6000 Stück erforderlich. Der Platzbedarf dafür wäre 600 km2. Die AKWs beanspruchen dafür nur 2,5 km2. Zur Veranschaulichung: Der Kanton Thurgau hat eine Fläche von 970 km2. Ähnlich sind die Verhältnisse bei der Photovoltaik.

Herr Gubler, angenommen, wir haben wochenlang Sonnenschein und kräftigen Wind. Wie können wir diesen Stromüberschuss für die langen dunklen, kalten und windarmen Wintertage speichern?

Ich muss Sie enttäuschen. Seit 30 Jahren sucht man nach einer technischen Lösung für die Speicherung. Trockenbatterien taugen nur für kurze Stromunterbrüche. Die einzige halbwegs taugliche Lösung sind Pumpspeicherbecken. Das bedingt jedoch eine ordentliche Zahl neuer Staudämme in den Bergen. Die bestehenden liefern den Strom der Wasserkraft und können nicht einfach konfisziert werden. Der zusätzliche Aufwand ist nicht bezahlbar.

Das «einfache Volk» wieder zu Fuss

Ins Gespräch kommt neuerdings der Wasserstoff. Wind- und Sonnenstrom werden zur Erzeugung von Wasserstoff herangezogen, welcher sich speichern liesse. Über die Brennstoffzelle kann dann wieder Strom erzeugt werden. Doch damit lässt sich kein Strom in grossen Mengen herstellen. Das funktioniert nur für den Elektroantrieb von Autos. Das ist jedoch so teuer, dass sich eigentlich nur noch reiche Leute Autos leisten könnten. Es ist dann wie in früheren Zeiten, als die Begüterten mit ihren Kutschen unterwegs waren, während das «einfache Volk» zu Fuss unterwegs war.

Der erzeugte Wasserstoff muss zunächst mit 300 bar für den Transport komprimiert werden – an der Zapfsäule noch einmal auf 700 bar. Der Tank im Auto steht dann unter einem Druck von 700 bar – eine wenig beruhigende Vorstellung. Im Auto wird dann mit dem Wasserstoff in einer Brennstoffzelle Strom erzeugt. Der wird in einer Batterie gespeichert. Ab nun funktioniert das Ganze wie ein Elektroauto. Der Wirkungsgrad liegt dann gerade noch bei 20% bei einer sündhaft teuren Anlage.

Politiker träumen öffentlich davon, Wasserstoff in den sonnenreichen Wüsten der Sahara zu erzeugen. Sie vergessen dabei, dass es dort wohl reichlich Sonne, aber kein Wasser gibt. Hinzu kommt die politisch unsichere Lage, in die solche Anlagen zu stehen kämen. Es ist unsinnig, die ganze Autoindustrie auf diese Technologie umzustellen, wo sie doch gerade erst daran ist, auf «normale» Elektromobile umzustellen.

Die Brücke ist kürzer als der Fluss breit

Wir gehen somit unsicheren Zeiten entgegen?

Professor Werner Sinn4 weist darauf hin, dass und wie die Energieversorgung an die Wand gefahren wird.5 Es ist unverständlich, dass angesichts der angeblich apokalyptischen Energiekrise ausgerechnet auf Gaskraftwerke zur Überbrückung gesetzt wird. Das ist zynisch. Zur Überbrückung wohin? Die Brücke ist kürzer als der Fluss breit, den man damit überqueren will! Offensichtlich nimmt man die Klimakrise selbst nicht ganz ernst.

Der Rest der Welt macht es vor: Das windverwöhnte Holland baut keine Windräder mehr und setzt auf die Kernkraft. Dasselbe hat soeben Emmanuel Macron für Frankreich verkündet. Tschechien und Polen gehen denselben Weg. China hat gerade den Bau von 150 AKWs für die kommenden 15 Jahre verkündet.6 Weltweit sind über 100 AKWs in Planung oder bereits im Bau. Dasselbe gilt für rund 1400 Kohlekraftwerke. Das zeigt deutlich, dass unser Weg der mit Abstand teuerste und unsicherste sein wird. Alle gegenteiligen Beteuerungen sind «gelogen» oder machen deutlich, dass man die Problematik der erneuerbaren Energien nicht verstanden hat, oder einfach ignoriert.

Man hat noch nicht realisiert, dass bereits AKWs der vierten Generation in Betrieb genommen werden. Deren Technik ist so weit gediehen, dass der anfallende Atomabfall wiederaufbereitet werden kann, was die Endlagerung erheblich entschärft. Man setzt jetzt auf kleine AKWs, die weit günstiger sind und deren Risiko bedeutend kleiner ist.

Vielen Dank für dieses Gespräch, Herr Gubler. Offensichtlich wurde von der Politik mit heisser Nadel gestrickt.
* Ueli Gubler ist Ingenieur HTL und freischaffender Journalist. Er geht gerne Behauptungen und Mutmassungen auf den Grund. Als Ingenieur schaut er sich gewisse Gesetzmässigkeiten und Zahlen genau an.

1 Der Schweizer Standpunkt hat darüber ausführlich mit Ueli Gubler gesprochen, vgl. Schweizer Standpunkt, «Über 40 Jahre Fehlprognosen… Was CO2 mit dem Klimawandel zu tun hat», 23. Oktober 2021 https://swiss-standpoint.ch/news-detailansicht-de-gesellchaft/ueber-40-jahre-fehlprognosen.html

2 Pro Person (8 Millionen Einw.) macht dies ca. 12 500 Franken – bei einem 3-Personenhaushalt einmalig 37 500 Franken, also über 25 Jahre  1500 Franken. Die jährlichen Mehrkosten wegen des höheren Strompreises kommen noch dazu. In Deutschland kostet die kWh inzwischen mehr als das Doppelte.

3 vgl. Schweizer Standpunkt. Jakob Wehrli. Sicherung der Stromversorgung. Blackout wegen Wartungsmängeln? https://swiss-standpoint.ch/news-detailansicht-de-gesellchaft/sicherung-der-stromversorgung.html

4 Prof. Dr. Hans-Werner Sinn deutscher Wirtschaftswissenschaftler, emeritierter Hochschullehrer an der Ludwig-Maximilians-Universität München, von 1999 bis 2016 Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung.

5 vgl. https://www.hanswernersinn.de/de/themen/Energiewende

6 https://www.watson.ch/international/energiewende/182812879-laender-die-auch-in-zukunft-auf-atomenergie-setzen (upload 28. November 2021)

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