Amerikas langer Krieg gegen Syrien
von Professor Glenn Diesen,* Norwegen
(2. Januar 2025) Im Laufe der Jahre haben die USA und die Nato unter dem Deckmantel der Verteidigung liberaler demokratischer Werte eine Vorlage für einen Regimewechsel entwickelt. Zunächst wird versucht, innerhalb des Zielstaates Spaltungen anzuzetteln und dann den Oppositionsgruppen politische, wirtschaftliche und militärische Unterstützung zukommen zu lassen.
Wenn es den Oppositionsgruppen gelingt, die Regierung zu stürzen, feiern die USA und die Nato dies als «demokratische Revolution» gegen eine autoritäre Regierung. Wenn die Regierung die Oppositionsgruppen besiegt, können die USA oder die Nato militärisch intervenieren, um zu verhindern, dass die Regierung «ihr eigenes Volk tötet». Dieses Modell wurde auch auf Syrien angewendet.
Spaltung und Destabilisierung Syriens
Die USA begannen in den 1980er Jahren, ethnische Spaltungen in Syrien zu fabrizieren und den Grundstein für einen Bürgerkrieg zu legen. Ein freigegebenes CIA-Memo aus dem Jahr 1986 offenbart eine Strategie zur Förderung ethnischer Spaltungen in Syrien, um einen Regimewechsel herbeizuführen:
«Wir glauben, dass erneute interkommunale Gewalt zwischen Alawiten und Sunniten die Sunniten im Militär dazu inspirieren könnte, sich gegen das Regime zu wenden ... Ein übermässiger Einsatz von Regierungskräften zur Unterdrückung solcher Unruhen könnte von den Sunniten als Beweis für einen Rachefeldzug der Regierung an allen Sunniten angesehen werden, was noch grössere Proteste anderer sunnitischer Gruppen auslösen könnte. Obwohl das Regime über die Mittel verfügt, um ein solches Vorhaben zu zerschlagen, glauben wir, dass brutale Angriffe auf sunnitische Zivilisten eine grosse Zahl sunnitischer Offiziere und Wehrpflichtiger dazu veranlassen könnte zu desertieren oder Meutereien zu schüren, um die Dissidenten zu unterstützen, und der Irak könnte sie mit genügend Waffen versorgen, um einen Bürgerkrieg vom Zaun zu brechen.»1
Als der Kalte Krieg 1989 endete und die Sowjets passiv wurden, versuchten die USA, daraus einen Vorteil zu ziehen, indem sie die unverteidigten sowjetischen Verbündeten ausschalteten. Nach dem ersten Golfkrieg 1991 argumentierte der damalige Staatssekretär im US-Verteidigungsministerium, Paul Wolfowitz, dass die USA die Region aufräumen müssten, solange sie eine beherrschende Stellung innehätten:
«Mit dem Ende des Kalten Krieges können wir unser Militär jetzt ungestraft einsetzen. Die Sowjets werden nicht eingreifen, um uns zu blockieren. Und wir haben fünf, vielleicht zehn Jahre Zeit, um diese alten sowjetischen Stellvertreterregime wie den Irak und Syrien aufzuräumen, bevor die nächste Supermacht auftaucht, die uns herausfordert.»2
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurde Syrien zum Ziel einer Reihe opportunistischer Kriege. Der ehemalige Oberbefehlshaber der Nato, US-General Wesley Clark, offenbarte, dass ihm ein Memo ausgehändigt wurde, in dem
«beschrieben wird, wie wir sieben Länder in fünf Jahren ausschalten werden. Beginnend mit dem Irak, dann Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, Sudan und zum Schluss der Iran.»3
Nach der Invasion des Irak verlagerte sich der Fokus auf die Zerstörung Syriens als Landbrücke des Iran zur Unterstützung des Libanon und Palästinas. Im Jahr 2005 berichtete das Wall Street Journal, dass der «Druck für einen Regimewechsel in Damaskus steigt», und der ehemalige Pentagon-Berater Richard Perle unterstrich die Gelegenheit, dass «Assad noch nie schwächer war und wir das ausnutzen sollten».4 In einem Interview mit Präsident Bashar Al-Assad im Jahr 2005 sprach die CNN-Reporterin Christiane Amanpour offen über die Pläne für einen Regimewechsel in Syrien:
«Herr Präsident, Sie wissen, dass die Rhetorik des Regimewechsels aus den Vereinigten Staaten auf Sie gerichtet ist. Sie suchen aktiv nach einem neuen syrischen Führer. Sie gewähren Visa und Treffen mit syrischen Oppositionspolitikern. Sie sprechen davon, Sie diplomatisch zu isolieren und vielleicht einen Staatsstreich zu verüben oder Ihr Regime zum Einsturz zu bringen. Was denken Sie darüber?»5
Die Propagandamassnahmen Washingtons, ethnische und religiöse Spaltungen auszunutzen, konzentrierten sich hauptsächlich auf den Groll der kurdischen Minderheit und die Ängste der sunnitischen Muslime, aufgrund der Partnerschaft Syriens mit dem Iran von schiitischen Muslimen unterworfen zu werden.6
In einem durchgesickerten Telegramm der US-Botschaft in Syrien aus dem Jahr 2006 wurde empfohlen, «mit den Ängsten der Sunniten vor dem iranischen Einfluss zu spielen», obwohl die Angst vor dem Iran «oft übertrieben» sei und die USA mit Saudi-Arabien und Ägypten zusammenarbeiten sollten, um «die Angelegenheit publik zu machen und die Aufmerksamkeit der Region darauf zu lenken».7
Die US-Botschaft befürwortete, einen Aufstand zu befeuern und gleichzeitig in der Regierung Ängste vor einem Putsch zu schüren, da dies «die Wahrscheinlichkeit einer selbstzerstörerischen Überreaktion erhöht».8 So könnte ein Kreislauf der Gewalt in Gang gesetzt und verschärft werden.
Die RAND Corporation, ein US-amerikanischer Thinktank, der eng mit dem Geheimdienst zusammenarbeitet, präsentierte ebenfalls eine Strategie zur Spaltung der syrischen Gesellschaft mit «verdeckten Aktionen, Informationsoperationen und unkonventioneller Kriegsführung», um eine Strategie des «Teile und Herrsche» zu verfolgen. RAND befürwortete, dass die USA «Kapital aus der anhaltenden schiitisch-sunnitischen Kursrichtung schlagen sollten, indem sie sich auf die Seite der konservativen sunnitischen Regime stellen, gegen schiitische Befreiungsbewegungen in der muslimischen Welt, die mit dem Iran verbündet sind». Der Bericht erkannte auch, wie Terroristen eingesetzt werden könnten: «Das geografische Gebiet der nachgewiesenen Ölreserven deckt sich mit der Machtbasis eines Grossteils des salafistisch-dschihadistischen Netzwerks.»9
Der Krieg beginnt
Der Krieg gegen Syrien wurde schliesslich 2011 entfesselt, als Stellvertreter aktiviert wurden. Ein Artikel der New York Times bestätigte, dass die CIA mehr als eine Milliarde Dollar für die Bewaffnung und Ausbildung von Rebellen gegen die syrische Regierung ausgegeben hatte, wobei ein Grossteil der Waffen in die Hände der dschihadistischen Gruppe Al-Nusra gelangte, die an der Seite der von der CIA unterstützten Kämpfer kämpfte.10 Die Medien verkauften die Ereignisse als Angriff der Regierung auf friedliche Demonstranten.
Ein Pentagon-Bericht vom August 2012 bestätigt, dass die Militärplaner der USA davon ausgingen, dass Dschihadisten versuchen würden, die territoriale Kontrolle in Ostsyrien zu übernehmen:
«Wenn die Situation eskaliert, besteht die Möglichkeit, dass in Ostsyrien (Hasaka und Deir Ezzor) ein ausgerufenes oder nicht ausgerufenes salafistisches Fürstentum errichtet wird, und genau das wollen die Unterstützer der Opposition, um das syrische Regime zu isolieren, das als strategisch bedeutungsvoll für die schiitische Expansion (Irak und Iran) gilt.»11
Roland Dumas, der ehemalige französische Aussenminister, argumentierte, dass die Briten 2009 zu den amerikanischen Bestrebungen beitrugen, indem sie regionale «Schützen» finanzierten, was durch Ölinteressen motiviert war und als geopolitischer Schachzug gegen den Iran galt.12
Peter Ford, der von 2003 bis 2006 britische Botschafter in Syrien war, kritisiert seine eigene Regierung ebenfalls für die «inkohärente und groteske» Politik gegenüber Syrien. Ford argumentierte, dass der Krieg in Syrien durch eine Agenda des Westens zum Regimewechsel initiiert und aufrechterhalten wurde, was dazu führte, dass Dschihad-Terroristen als Stellvertreter eingesetzt wurden.13
Als Russland 2015 intervenierte, um die syrische Regierung zu retten, versuchten die USA, Russland in einen langen Krieg zu verwickeln, um seine Ressourcen zu erschöpfen. Der US-Vertreter in Syrien, James Jeffrey, argumentierte, dass das Ziel der USA in Syrien darin bestehe, einen anhaltenden Konflikt zu schaffen, um Russland zu schwächen:
«Meine Aufgabe ist es, es für die Russen zu einem Morast zu machen».14
Dana Stroul, die demokratische Ko-Vorsitzende der Syrien-Studiengruppe, argumentierte im November 2019, dass das Ziel der USA darin bestehe, die syrischen Rohstoffe als Quelle des Einflusses auf jede künftige politische Einigung zu kontrollieren und die Wiederaufbauhilfe zu behindern, um sicherzustellen, dass das von der Regierung kontrollierte Gebiet ein «Trümmerfeld» bleibt.15
Der Regimewechsel war schliesslich im Dezember 2024 erfolgreich, da Syrien geschwächt war, die Türkei eine dschihadistische Stellvertreterarmee aufgestellt hatte, Russland durch einen langen Krieg in der Ukraine abgelenkt war und Israel die Hisbollah im Libanon geschwächt hatte. Während der Stellvertreterkrieg verschiedene Phasen durchlief, verkauften die Medien konsequent und eifrig die Geschichte einer organischen Graswurzelbewegung demokratischer Kräfte, die sich gegen die syrische Diktatur auflehnten. Die USA vertraten angeblich die «internationale Gemeinschaft», einen zurückhaltenden und tugendhaften Verteidiger des syrischen Volkes.
Quelle: https://glenndiesen.substack.com/p/americas-long-war-against-syria, 17. Dezember 2024
(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)
1 Van Wagenen, W., Creative Chaos: How U.S. Planners Sparked the Anti-Government Protests of the So-Called Arab Spring in Syria, The Libertarian Institute, 31. Januar 2022.
2 Sachs, J., 2018. Ending America’s War of Choice in the Middle East. Horizons: Journal of International Relations and Sustainable Development, (11), S. 20-33.
3 Clark, W., 2007. Interview with General Wesley Clark, Democracy Now, 2. März 2007.
4 WSJ 2005. Syria Debate Exposes Iraq Fault Lines, The Wall Street Journal, 6. Dezember 2005.
5 CNN 2005. Al-Assad: “Syria has nothing to do with this crime”, CNN, 12. Oktober 2005.
6 Hersh, S., 2007. The Redirection, The New Yorker, 5. März 2007.
7 Wikileaks 2006, Influencing the SARG in the end of 2006, Wikileaks, 6. Dezember 2006.
8 Wikileaks 2006, Influencing the SARG in the end of 2006, Wikileaks, 6. Dezember 2006.
9 RAND 2008. Unfolding the Future of the Long War: Motivations, Prospects, and Implications for the U.S. Army, RAND Corporation, Pittsburgh, S.171.
10 Mazzetti, M., Goldman, A., and Schmidt, M.S., 2017. Behind the Sudden Death of a $1 Billion Secret C.I.A. War in Syria, The New York Times, 2. August 2017.
11 Judicial Watch 2015, “Defense, State Department Documents Reveal Obama Administration Knew that al Qaeda Terrorists Had Planned Benghazi Attack 10 Days in Advance”, Judicial Watch, 18. Mai 2015.
12 Guardian 2013, Syria intervention plan fuelled by oil interests, not chemical weapon concern, The Guardian, 31. August 2013.
13 Hadjimatheou, C., 2021. Mayday: How the White Helmets and James Le Mesurier got pulled into a deadly battle for truth, BBC, 27. Februar 2021.
14 Brennan, D., 2020. U.S. Syria Representative Says His Job Is to Make the War a “Quagmire” for Russia, Newsweek, 13. Mai 2020.
15 CSIS 2019. Syria in the Gray Zone, Center for Strategic and International Studies, 1. November 2019.