China überrascht die USA mit einem neuen BRI-Projekt

von M. K. Bhadrakumar,* Indien

(28. Juni 2024) Der Bericht über den Tod von Chinas «Gürtel- und Strasseninitiative» (BRI) war doch eine Übertreibung. Nur wenige Tage nach der bissigen Bemerkung von US-Präsident Joe Biden in einem Interview mit dem «Time-Magazin» in der vergangenen Woche, die BRI sei zu einer «lästigen Friedhofsinitiative» geworden, wurde am Donnerstag in Peking ein trilaterales Regierungsabkommen1 über den Beginn der Bauarbeiten für das Eisenbahnprojekt «China-Kirgisistan-Usbekistan» (CKU) unterzeichnet. Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping gratulierte2 zu dem trilateralen Regierungsabkommen mit Kirgisistan und Usbekistan und bezeichnete die CKU als «ein strategisches Projekt für Chinas Konnektivität mit Zentralasien, das die gemeinsamen Bemühungen der drei Nationen im Rahmen der Belt and Road Initiative symbolisiert». Xi lobte die Vereinbarung als «ein Zeichen der Entschlossenheit».

M. K. Bhadrakumar
(Bild zvg)

Die Idee eines solchen Eisenbahnprojekts wurde erstmals 1996 von Usbekistan vorgeschlagen, aber aufgrund der geopolitischen und bündnispolitischen Veränderungen in Zentralasien, zu denen auch Vorbehalte auf Seiten Moskaus und Astanas gehören sollen, lag das Projekt mehr als ein Vierteljahrhundert lang auf Eis. China, das die CKU einseitig finanzieren könnte, verlor ebenfalls das Interesse und räumte seinen Beziehungen zu Russland und Kasachstan Vorrang ein.

Vor allem die Tatsache, dass sich die drei Länder nicht über die Streckenführung einigen konnten, wurde zum Streitpunkt: China und Usbekistan favorisierten die Südroute, die die kürzere Transitstrecke nach Europa und Westasien darstellen würde, während Bischkek auf der Nordroute bestand – eine längere Strecke, die die nördlichen und südlichen Regionen Kirgisistans verbinden und die Wirtschaft des Landes ankurbeln würde.

Das im Sterben liegende Projekt wurde jedoch im Zuge der sich wandelnden geopolitischen Lage in Zentralasien wiederbelebt, als die intraregionalen Integrationsprozesse an Fahrt gewannen, als in Moskau ein Umdenken zugunsten einer Stärkung der regionalen Konnektivität unter den Bedingungen der westlichen Sanktionen einsetzte usw.

China, Kirgisistan und Usbekistan unterzeichneten ein zwischenstaatliches
Abkommen über den Bau einer Eisenbahnverbindung zwischen Xinjiang
und dem Fergana-Tal, Peking, 6. Juni 2024. (Bild zvg)

In der Tat wird mit der verbesserten Eisenbahnverbindung nicht nur die Verbindung zwischen China und den beiden zentralasiatischen Ländern entlang der Strecke gestärkt, sondern auch die Interkonnektivität in der ganzen zentralasiatischen Region.

In einer merkwürdigen Umkehrung der Rollen, als Zentralasien in letzter Zeit zu einem Spielfeld des grossen Spiels zwischen den USA auf der einen und Russland und China auf der anderen Seite wurde, begann Washington jedoch, die Aussicht auf ein solches Projekt, das die Eisenbahnsysteme Chinas über Turkmenistan, den Iran und die Türkei potenziell mit dem europäischen Eisenbahnnetz verbinden könnte, mit Argwohn zu betrachten.

Es genügt zu sagen, dass China in den letzten zwei Jahren mit neuem Interesse begann, die 523 km lange Eisenbahnlinie – 213 km in China, 260 km in Kirgisistan und 50 km in Usbekistan – optimistisch als eine kürzere Route von China nach Europa und Westasien zu betrachten als den bestehenden 900 km langen Korridor, der durch die Transsibirische Eisenbahn in Russland verläuft, die über keine moderne Infrastruktur verfügt und nur ein einziges, nicht elektrifiziertes Gleis besitzt, das den Transport chinesischer Waren nach Europa unmöglich macht, und auch die wirtschaftlichen Kosten, die mit den westlichen Sanktionen gegen Russland verbunden sind, zu mildern.

Vor allem die zunehmenden geopolitischen Spannungen in der Strasse von Taiwan und im Südchinesischen Meer geben Peking Anlass zu ernster Sorge und machen die Einrichtung alternativer Landrouten zum europäischen Markt zur obersten Priorität.

Zweifellos hat CKU in geopolitischer, geostrategischer und geoökonomischer Hinsicht ein enormes Potenzial. Kurz gesagt wird sie die südliche Passage der Neuen Eurasischen Landbrücke vervollständigen und einen bequemen Transportweg von Ost- und Südostasien nach Zentral- und Westasien, Nordafrika und Europa schaffen.

Abgesehen von der Integration der zentralasiatischen Region in das breitere Verkehrsnetz und der besseren Anbindung an den Weltmarkt sieht Peking vor, dass die CKU in Zukunft auch auf andere Länder wie Afghanistan ausgeweitet werden könnte.

So betonte der usbekische Präsident Shavkat Mirziyoyev bei der Unterzeichnungszeremonie am Donnerstag neben Xi und dem kirgisischen Präsidenten Sadyr Japarov: «Diese Strasse wird unseren Ländern über den vielversprechenden transafghanischen Korridor den Zugang zu den grossen Märkten Südasiens und des Nahen Ostens ermöglichen.»

Natürlich stellt der Bau des CKU, der noch in diesem Jahr beginnen und 8 Milliarden US-Dollar kosten soll, eine gewaltige Herausforderung dar, da es sich um ein grenzüberschreitendes Projekt handelt, das von einem Joint Venture dreier Länder im BOT-Format durchgeführt wird. Zweifelsohne erfordert die CKU gewaltige Ingenieurleistungen, da die Strecke durch das schwierige Gelände Westchinas und Kirgisistans in einer Höhe von 2000 bis 3500 Metern führt und den Bau von mehr als fünfzig Tunneln und neunzig Brücken durch die höchsten Berge Kirgisistans vorsieht.

Aber China verfügt über grosse Erfahrung und Fachwissen, um dieses Projekt zu verwirklichen. Xi sagte, das in Peking unterzeichnete Abkommen biete eine «solide rechtliche Grundlage» für den Bau der Eisenbahn und verwandle das Projekt «von einer Vision in eine Realität».

Die Durchführbarkeitsstudie für das Projekt wird derzeit aktualisiert, nachdem chinesische Ingenieure im Dezember ihre Feldstudien abgeschlossen haben. Zhu Yongbiao, Professor am Forschungszentrum für die «Gürtel- und Strasseninitiative» der Universität Lanzhou, erklärte gegenüber der «Global Times», dass die Bautechniken und die Finanzierung keine Probleme aufwerfen.

Der Sprecher des chinesischen Aussenministeriums erklärte bei der täglichen Pressekonferenz3 in Peking am Freitag [7. Juni]: «Dieser wichtige Meilenstein wurde dank der enormen Anstrengungen verschiedener Abteilungen und Experten sowie der persönlichen Aufmerksamkeit und Unterstützung durch die Führer der drei Länder erreicht.»

Der Sprecher wies darauf hin, dass die CKU «ein weiterer Beweis für die Bedeutung der Gürtel- und Strasseninitiative ist und die Popularität der Vision einer Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Zukunft für die Menschheit in Zentralasien demonstriert.»

Die CKU führt von der westchinesischen Drehscheibe Kashgar über Torugart, Makmal und Dschalalabad in die usbekische Stadt Andischan im Ferghanatal. Sie verbindet das aus der Sowjetzeit stammende Eisenbahnnetz in Usbekistan, das nach Termez am Amu Darya an der Grenze zur afghanischen Stadt Mazar-i-Sharif führt.

Usbekistan kündigte letzten Monat [Mai] an, dass das transafghanische Eisenbahnprojekt voraussichtlich bis Ende 2027 fertiggestellt sein wird und Usbekistan, Afghanistan und Pakistan miteinander verbindet, «um wichtige Handelswege zu erleichtern und die regionale Konnektivität zu stärken». Interessanterweise wurde das transafghanische Eisenbahnprojekt in der Vergangenheit auch in den chinesisch-pakistanischen Dokumenten erwähnt.

In der gemeinsamen Erklärung,4 die nach dem China-Besuch des pakistanischen Premierministers Shehbaz Sharif in der vergangenen Woche herausgegeben wurde, wurde versprochen, den chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridor «zu einem beispielhaften Projekt für den Aufbau einer qualitativ hochwertigen Zusammenarbeit im Rahmen ‹des Gürtel und der Strasse› zu machen […] und «die Bedeutung des Hafens Gwadar als wichtigen Knotenpunkt für die überregionale Konnektivität anzuerkennen». Gleichzeitig wurde vereinbart, eine konstruktive Rolle bei der Unterstützung Afghanistans zu spielen, «damit es eine stabile Entwicklung erreichen und sich in die internationale Gemeinschaft integrieren kann».

Als erste offizielle Anerkennung der Taliban-Übergangsregierung durch eine grosse Nation begrüsste Xi Jinping im Januar Asadullah Bilal Karimi, den von den Taliban ernannten afghanischen Botschafter, in einer feierlichen Zeremonie in der Grossen Halle des Volkes, zusammen mit Abgesandten aus Kuba, Iran, Pakistan und 38 weiteren Ländern, die ebenfalls ihre Beglaubigungsschreiben vorlegten.

Es ist durchaus denkbar, dass die Zeit für die Verwirklichung des jahrhundertealten Traums einer transafghanischen Eisenbahn gekommen ist. Katar hat Berichten zufolge Interesse an der Finanzierung des Projekts gezeigt. Bei einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im Februar in Kasan hatte Mirziyoyev mitgeteilt,5 dass die russische Seite ihr Interesse bekundet habe, sich an der Ausarbeitung der technischen Grundlagen für das Projekt und dessen Förderung zu beteiligen. Der stellvertretende russische Ministerpräsident für Verkehr Witali Saweljew, der zuvor Taschkent besucht hatte, nahm an dem Treffen in Kasan teil.

Die baldige Wiederherstellung der vollen Beziehungen zwischen Moskau und Kabul wird sicherlich zu einer Beschleunigung der Dinge beitragen.

Die CKU wird zum Dreh- und Angelpunkt eines phänomenalen Wandels der regionalen Konnektivität in Zentralasien und den weit entfernten Nachbarregionen. Im gegenwärtigen internationalen Klima hat dies tiefgreifende geopolitische Auswirkungen auf die gemeinsamen und koordinierten Bemühungen Russlands und Chinas, die doppelte Eindämmungsstrategie der USA zurückzudrängen.

* M. K. Bhadrakumar hat rund drei Jahrzehnte als Karrierediplomat im Dienst des indischen Aussenministeriums gewirkt. Er war unter anderem Botschafter in der früheren Sowjetunion, in Pakistan, Iran und Afghanistan sowie in Südkorea, Sri Lanka, Deutschland und in der Türkei. Seine Texte beschäftigen sich hauptsächlich mit der indischen Aussenpolitik und Ereignissen im Mittleren Osten, in Eurasien, in Zentralasien, Südasien und im Pazifischen Asien. Sein Blog heisst «Indian Punchline».

Quelle: https://www.indianpunchline.com/china-springs-a-bri-surprise-on-us/, 10. Juni 2024

(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)

1 https://www.rferl.org/a/kyrgyzstan-uzbekistan-china-agreement-railway-project/32983143.html

2 https://www.chinadaily.com.cn/a/202406/07/WS666249d1a31082fc043cb558_1.html

3 https://english.news.cn/20240607/c302f95b1834440786261fed726c8bcf/c.html

4 https://www.fmprc.gov.cn/eng/wjdt_665385/2649_665393/202406/t20240609_11415903.html

5 https://tashkenttimes.uz/national/12524-mirziyoyev-putin-hold-talks-3

Zurück