Die Allianz zwischen Russland und China steht vor einer Wende

M. K. Bhadrakumar (Bild zvg)

von M. K. Bhadrakumar*

(21. Dezember 2021) Die Initiative Pekings, ein virtuelles Treffen zwischen Präsident Xi Jinping und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vorzuschlagen, verändert die Geopolitik der unerbittlichen Osterweiterung der Nordatlantikvertrags-Organisation und der westlichen Militäraufmärsche an den Grenzen Russlands grundlegend.

Die Ankündigung des Treffens in Peking erfolgte einen Tag nach einem G7-Aussenministertreffen im britischen Liverpool am 12. Dezember, bei dem die Rhetorik Washingtons in Bezug auf eine angebliche russische Militäraufrüstung an der ukrainischen Grenze aufgegriffen und Moskau mit «massiven Konsequenzen und hohen Kosten als Antwort» gedroht wurde.

Das G7-Treffen selbst war als neue Demonstration westlicher Einigkeit gegenüber Russland und China gedacht, um den Westen an die Spitze zu bringen. Zum ersten Mal wurden auch die ASEAN-Länder in die G7-Ministerkonferenz einbezogen. Dies ist Teil der Pläne der Regierung von US-Präsident Joe Biden, einen neuen «indopazifischen Wirtschaftsrahmen» zu schaffen, um Chinas Einfluss in der Region zurückzudrängen.

Der Sprecher des chinesischen Aussenministeriums, Botschafter Wang Wenbin, erklärte am Montag, dass das virtuelle Treffen zwischen Xi und Putin dazu dienen soll, «eine Bilanz der bilateralen Beziehungen und der Ergebnisse der Zusammenarbeit in diesem Jahr zu ziehen, die Beziehungen für das nächste Jahr auf höchster Ebene zu planen und einen Meinungsaustausch über wichtige internationale und regionale Fragen von gemeinsamem Interesse zu führen».

Der russische Präsident Wladimir Putin (rechts) und der
chinesische Präsident Xi Jinping während ihrem Treffen
im Kreml, Moskau, 5. Juni 2019.
(Keystone/Evgenia Novozhenina/Pool Photo via AP)

Botschafter Wang geht davon aus, dass die Xi-Putin-Videokonferenz «unser gegenseitiges Vertrauen auf hoher Ebene weiter stärken, die strategische Koordinierung zwischen China und Russland und die robuste Entwicklung der praktischen Zusammenarbeit in allen Bereichen energisch vorantreiben wird.» Und er schloss: «Dies wird der komplexen und unbeständigen internationalen Landschaft mehr Stabilität und positive Energie verleihen.»

Der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat inzwischen bekannt gegeben, dass Putin und Xi bei den Gesprächen die kriegerische Rhetorik der NATO und die angespannte Lage in Europa ansprechen werden. Peskow: «[Die beiden Staatsoberhäupter] werden ihre Ansichten über internationale Angelegenheiten austauschen. Die jüngsten Entwicklungen in den internationalen Angelegenheiten, insbesondere auf dem europäischen Kontinent, sind derzeit sehr angespannt, und dies erfordert definitiv eine Diskussion zwischen den Verbündeten, zwischen Moskau und Peking.»

Peskow fügte hinzu, dass Russland mit einer «sehr aggressiven Rhetorik sowohl seitens der NATO als auch der USA» konfrontiert sei, was ebenfalls besprochen werden müsse. Peskow betonte, dass die sich abzeichnende angespannte Lage auf dem europäischen Kontinent es rechtfertige, dass Russland Konsultationen mit seinem engen Verbündeten China abhalte.

Zweifellos bedeutet dies eine aussergewöhnliche Dimension für das russisch-chinesische Bündnis. Welche Rolle, wenn überhaupt, China in dem sich entwickelnden Szenario spielen wird, wird genau beobachtet werden, zumal sowohl in Osteuropa als auch im asiatisch-pazifischen Raum der Wind für einen perfekten Sturm weht.

Am wichtigsten ist die Frage, ob die heutige Diskussion in den Rahmen des Plans für die militärische Zusammenarbeit zwischen Russland und China für den Zeitraum 2021–2025 fällt, den die beiden Länder am 23. November unterzeichnet haben. Bei der Unterzeichnung des Dokuments wurde der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu mit den Worten zitiert: «China und Russland sind seit vielen Jahren strategische Partner. Heute, unter den Bedingungen zunehmender geopolitischer Turbulenzen und wachsenden Konfliktpotenzials in verschiedenen Teilen der Welt, ist die Entwicklung unserer Interaktion besonders wichtig».

Shoigu lenkte die Aufmerksamkeit seines chinesischen Amtskollegen Wei Fenghe insbesondere auf die immer intensiveren Flüge der strategischen US-Bomber in der Nähe der russischen Grenzen. Er sagte: «In diesem Monat übten 10 (US-)strategische Bomber praktisch gleichzeitig aus westlicher und östlicher Richtung das Szenario eines Atomwaffeneinsatzes gegen Russland» und kamen bis auf 20 Kilometer an die russische Grenze heran.

Schoigu wies auch auf die steigende Zahl von US-Bomberflügen über dem Ochotskischen Meer hin, bei denen der Abschuss von Marschflugkörpern geübt wurde, und erklärte, dies stelle eine Bedrohung sowohl für Russland als auch für China dar. «In einem solchen Umfeld wird die russisch-chinesische Koordinierung zu einem stabilisierenden Faktor in globalen Angelegenheiten», sagte Schoigu.

In einer kurzen Stellungnahme erklärte das chinesische Verteidigungsministerium zu diesem Zeitpunkt, dass beide Seiten «die strategische Zusammenarbeit zwischen den beiden Streitkräften weiter vertiefen, die Zusammenarbeit bei strategischen Übungen, gemeinsamen Patrouillen und in anderen Bereichen weiter verstärken und weiterhin neue Beiträge zur Wahrung der Kerninteressen Chinas und Russlands sowie zur Aufrechterhaltung der internationalen und regionalen Sicherheit und Stabilität leisten» würden.

Dabei hat Shoigu erst vor zwei Wochen gesprochen. Die South China Morning Post kommentierte den Pakt mit der Feststellung, dass China und Russland «sich einem De-facto-Militärbündnis annähern, um dem wachsenden Druck der Vereinigten Staaten zu begegnen».

Zumindest signalisierte die Unterzeichnung des Fahrplans für die militärische Zusammenarbeit die Bereitschaft Russlands und Chinas, dem Druck der USA zu widerstehen, indem sie sich notfalls auf gemeinsame militärische Anstrengungen stützen.

Die USA sind nicht in der Lage, China und Russland gleichzeitig militärisch zu konfrontieren, und wenn diese ihre militärische Macht und ihre aussenpolitischen Ziele in erheblichem Masse bündeln würden, würde dies das eurasische Kräftegleichgewicht verändern und die USA benachteiligen.

Die USA verfügen nach wie vor über das leistungsfähigste Militär der Welt, und es steht ausser Frage, dass die USA mächtiger sind als China oder Russland allein, aber eine neu entdeckte Einigkeit der beiden letztgenannten Staaten kann für Washington strategisch nachteilig sein.

Lyle Goldstein, ein Experte für China und Russland, der bis Oktober zwei Jahrzehnte lang als Forschungsprofessor am Naval War College tätig war, sagte am Montag gegenüber Newsweek: «Ich glaube, Moskau und Peking rechnen damit, dass sie uns (Washington) in einer Art maximaler Verwirrung halten können, weil die Schauplätze so weit voneinander entfernt sind und die beteiligten Kräfte sehr unterschiedlich sind. Ich glaube, sie sehen einen Vorteil darin, uns in zwei Richtungen gleichzeitig zu ziehen.»

Seltsamerweise sagt Goldstein, dass «ich nicht glaube, dass die Vereinigten Staaten bereit sind, in der Ukraine in den Krieg zu ziehen. Ich glaube nicht, dass die Vereinigten Staaten bereit sind, wegen Taiwan in den Krieg zu ziehen. Ich stehe zu diesen beiden Punkten. Also beides zu tun, nein, absolut nicht.»

Er erläuterte, dass insbesondere die Szenarien Ukraine und Taiwan «maximal belastend sind, da sie eine hochintensive Kriegsführung auf extrem schwierigen Kriegsschauplätzen gegen Gegner beinhalten, die sich nur auf dieses eine Ziel konzentrieren. Jedes dieser Szenarien wäre für sich genommen hochgradig stressig, und ich würde behaupten, wenn wir uns darauf einlassen würden, bestünde eine gute Chance, dass wir verlieren.»

Wie dem auch sei, das heutige Videogespräch bildet die Grundlage für Putins Besuch in Peking auf persönliche Einladung von Xi Jinping als Hauptgast der bevorstehenden Olympischen Winterspiele (4.–20. Februar).

So wie es aussieht, wird das persönliche Treffen der beiden Staatsoberhäupter Anfang Februar in Peking ein Ereignis von grosser Bedeutung für die globale Stabilität und die weitere Festigung der strategischen Partnerschaft zwischen den beiden Ländern sein.

Möglicherweise ist das heutige virtuelle Treffen inmitten der zunehmenden Spannungen in den Beziehungen zwischen Russland und den USA Ausdruck der Einsicht in Peking, dass «China und Russland dem Angriff der US-geführten Clique nur gemeinsam entgegentreten und nicht in Passivität verfallen können», wie Cui Heng, der bekannte chinesische Wissenschaftler am Zentrum für Russlandstudien der East China Normal University, gegenüber der Global Times erklärte.

Damit es nicht übersehen wird: Im Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit, den China und Russland 2001 unterzeichneten, ist verankert, dass «Russland die Regierung der Volksrepublik China als die einzige rechtmässige Regierung anerkennt, die ganz China vertritt. Taiwan ist ein konstituierender Teil Chinas». Der Pakt ist ein Grundlagendokument, auf dem das chinesisch-russische Bündnis beruht.

Quelle: https://www.indianpunchline.com/russia-china-alliance-at-the-tipping-point/, 15. Dezember 2021

(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)

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