Die USA reagieren paranoid auf den Russland-China-Gipfel

M. K. Bhadrakumar (Bild zvg)

von M. K. Bhadrakumar,* Indien

(28. März 2023) Der vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) ausgestellte Haftbefehl1 gegen Wladimir Putin kann nur als Publicity-Gag der angelsächsischen Clique betrachtet werden, in der die USA die Nase vorn haben.

Ironischerweise handelte der IStGH jedoch am Vorabend des 20. Jahrestags der angelsächsischen Invasion im Irak im Jahr 2003, die zu schrecklichen Kriegsverbrechen führte, die die «Richter» in Den Haag jedoch verschliefen. Sowohl Washington als auch London geben heute zu, dass die Invasion von 2003 illegal war und auf erfundenen Anschuldigungen gegen Saddam Hussein beruhte.

Natürlich ist es chancenlos, dass der Haftbefehl des IStGH jemals ernst genommen wird. Der IStGH hat keine Zuständigkeit in Russland und ebenso in den USA, die beide das «Römische Statut» nicht unterzeichnet haben. Aber die Absicht ist eine ganz andere.

Russlands Präsident Vladimir Putin (r) und Chinas Präsident Xi Jinping haben
sich am 20. März 2023 in Moskau getroffen. (Bild Keystone/ Sergei Karpukhin,
Sputnik, Kremlin Pool Photo via AP)

Diese Schlammschlacht gegen Putin ist ein weiterer Beweis für Präsident Bidens Hass auf den russischen Staatschef, der auf eine Auseinandersetzung in Moskau vor mehr als zehn Jahren zurückgeht, als Putin ihn brüsk zurückwies. Sie soll auch vom Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping am Montag in Moskau ablenken, einem Ereignis, das nicht nur optisch spektakulär ist, sondern auch die «unbegrenzte» Partnerschaft zwischen den beiden Supermächten vertiefen wird.

Die angelsächsische Clique blickt mit Bestürzung auf die morgigen [20. März] Gespräche in Moskau. Allerdings haben Moskau und Peking beschlossen, zusammenzustehen, um die Hegemonie der USA zu begraben.

Heute übertrifft China die gemeinsamen Produktionskapazitäten der USA und ihrer europäischen Verbündeten, und auch Russland hat sich zum grössten Atomwaffenstaat der Welt entwickelt, der den USA sowohl in Bezug auf die Quantität als auch die Qualität der Waffen überlegen ist.

Den Amerikanern ist klar geworden, dass Russland in der Ukraine nicht besiegt werden kann. Einem Bericht in Politico2 zufolge steht die Nato vor einer fast unlösbaren Frage. Massive Investitionen sind erforderlich, um mit der russischen Rüstungsindustrie gleichzuziehen, aber die kränkelnden europäischen Volkswirtschaften haben andere wichtige Prioritäten, nämlich das Überleben und den Kampf gegen die zunehmenden sozialen Unruhen.

Die Vorstellung, Russland in einem Stellvertreterkrieg unter den Bedingungen von «höllischen Sanktionen» zu besiegen, hat sich als Illusion erwiesen. Es sind die US-Banken, die kollabieren, es sind die europäischen Volkswirtschaften, die von Stagnation bedroht sind.

Die Verzweiflung der USA zeigt sich in dem streng geheimen Einsatz einer MQ-9 Reaper-Drohne in der Nähe der Halbinsel Krim am 14. März. US-Global-Hawk-Drohnen sind in den letzten Jahren regelmässig über dem Schwarzen Meer gesichtet worden, aber dieser Fall ist anders.

Der Transponder der Reaper-Drohne wurde abgeschaltet, als sie sich der vorübergehenden Regelung Russlands für den Luftraum näherte, die für die Zwecke der militärischen Sonderoperation in der Nähe der Halbinsel Krim eingeführt wurde (was Moskau allen Nutzern des internationalen Luftraums gemäss den internationalen Normen ordnungsgemäss mitgeteilt hatte).

Die russischen Su-27-Kampfflugzeuge konnten die Reaper-Drohne ausmanövrieren, worauf sie die Kontrolle verlor und im Schwarzen Meer unterging. Moskau verlieh den beiden Piloten, die den Reaper auf den Meeresgrund getrieben hatten, staatliche Auszeichnungen.

Der russische Botschafter in Washington warnte unterdessen,3 dass Moskau zwar keine Eskalation anstrebe, aber jeder absichtliche Angriff auf ein russisches Flugzeug im neutralen Luftraum als «offene Kriegserklärung an die grösste Atommacht» ausgelegt werde.

Sollten die USA den Drohnenvorfall geplant haben, um die Reaktion Russlands zu testen, so hat Russland eindeutig geantwortet. Und all dies geschah im unmittelbaren Vorfeld des Besuchs von Präsident Xi.

Biden schlug inzwischen zurück, indem er den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Putin begrüsste und sagte: «Er ist gerechtfertigt … (und) macht einen sehr starken Eindruck.» Aber Bidens alterndes Gedächtnis lässt ihn wieder im Stich. Denn die erklärte amerikanische Position zum IStGH ist, dass Washington nicht nur die Zuständigkeit dieses Gerichts verneint, sondern sich auch das Recht vorbehält, militärische Gewalt anzuwenden, um den Inhaftierten zu befreien, wenn ein US-Bürger verhaftet oder vor den IStGH gebracht würde!

Darüber hinaus hat Washington mit Repressalien gegen jedes Land gedroht, das bei einem Haftbefehl des IStGH gegen einen US-Bürger kooperiert. Die Regierung von George W. Bush hat dies vor dem Hintergrund der schrecklichen Kriegsverbrechen der anglo-amerikanischen Clique im Irak kategorisch als US-Politik in Bezug auf den IStGH erklärt, und die USA sind nie davon abgerückt.

Übrigens hat weder der UN-Sicherheitsrat noch die Generalversammlung den IStGH angerufen. Wer hat also diesen Haftbefehl organisiert? Grossbritannien – wer denn sonst? Die Briten haben die Richter des IStGH unter Druck gesetzt, die sehr erpressbar sind, da sie ein hohes Gehalt beziehen und sich mit dem Teufel verbünden würden, wenn ihnen dadurch eine längere Amtszeit in Den Haag gesichert wäre. Dies ist ein weiteres Beispiel für die schrittweise Zerstörung des UNO-Rechtssystems durch die angelsächsische Clique in den letzten Jahren.

Dass der Drohnenvorfall und der Haftbefehl des IStGH das Klima für einen Dialog zwischen Moskau und Kiew beeinträchtigen liegt auf der Hand. Offensichtlich ist auch, dass die angelsächsische Clique grosse Angst hat, dass China mit einer weiteren Überraschung aufwarten könnte, so wie es bei der Vermittlung des jüngsten saudi-iranischen Abkommens der Fall war.

In einer bedeutungsvollen Bemerkung sagte der Sprecher des chinesischen Aussenministeriums, Wang Wenbin, am Freitag, dass Xis Besuch unter anderem der Förderung des «Friedens» diene. Peking hat bereits einen «Friedensplan» für die Ukraine veröffentlicht,4 eine 12-Punkte-Agenda für «eine politische Lösung der Ukraine-Krise», die auf Zelenskys Schreibtisch in Kiew liegt, obwohl der Westen sie geflissentlich ignoriert. [Siehe dazu Artikel im «Schweizer Standpunkt»]5

In einem Telefongespräch am Donnerstag [16. März] teilte der chinesische Aussenminister Qin Gang seinem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba mit, dass Peking hoffe, «dass alle Parteien ruhig, vernünftig und zurückhaltend bleiben und die Friedensgespräche so bald wie möglich wieder aufnehmen».

In der chinesischen Verlautbarung heisst es,6 Kuleba habe «die Aussicht auf Friedensgespräche […] erörtert und festgestellt, dass Chinas Positionspapier zur politischen Beilegung der Ukraine-Krise seine Aufrichtigkeit bei der Förderung eines Waffenstillstands und einer Beendigung des Konflikts zeigt. Er brachte die Hoffnung zum Ausdruck, die Kommunikation mit China aufrechtzuerhalten.»

Es überrascht nicht, dass Biden paranoid reagiert, beim Bestreben Chinas zwischen Moskau und Kiew zu vermitteln. Der Punkt ist, dass er und Zelensky in einer tödlichen Umarmung gefangen sind.7 – Der Korruptionsskandal um die Aktivitäten von Hunter Biden in Kiew hängt wie ein Damoklesschwert über der politischen Karriere des Vaters, während Zelensky ebenfalls um sein politisches Überleben kämpft und zunehmend wagt, auf eigene Faust zu handeln.

Unter Missachtung westlicher Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Verteidigung der zerstörten Frontstadt Bakhmut im Donbass setzt Zelensky auf eine zermürbende Verteidigung, die sich hinziehen kann. (Politico)8

Offensichtlich verhält sich Biden wie eine Katze auf dem heissen Blechdach. Er kann weder auf Zelensky verzichten, noch kann er es sich leisten, in einen ewigen Krieg in der Ukraine verwickelt zu werden, während die Strasse von Taiwan ihn noch zu einem grösseren Schicksal herausfordert.

Pekings Haltung hat sich in letzter Zeit zusehends verhärtet, und die Verhöhnung des chinesischen Nationalstolzes durch den Abschuss des Wetterballons durch die USA hat das Misstrauen nur noch verstärkt. In ähnlicher Weise ist für Russland mit der Reaper-Drohnen-Provokation und dem ICC-Schwindel der angelsächsischen Clique der Tiefpunkt erreicht worden.

Xi hat Russland auch für seinen ersten Auslandsbesuch in seiner dritten Amtszeit ausgewählt, ungeachtet des Krieges in der Ukraine. Bei der Ankündigung von Xis Besuch in Russland sagte das chinesische Aussenministerium: «Da die Welt in eine neue Periode der Turbulenzen und des Wandels eintritt, gehen die Bedeutung und der Einfluss der Beziehungen zwischen China und Russland als ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und als wichtige Machtfaktoren weit über den bilateralen Rahmen hinaus.»

Auch hier hätte Biden denken können, dass er Putin mit dem Reaper-Stunt und dem ICC-Schwindel auf die Matte gelegt hat. Doch Putin gibt sich lässig und stattet heute dem Donbass seinen allerersten Besuch ab.9

Putin besichtigte Mariupol, die Hafenstadt, die von den Nato-Agenten im Bunde mit den ukrainischen Neonazi-Brigaden erbittert umkämpft wurde, fuhr mit einem Fahrzeug durch die Strassen der Stadt, hielt an mehreren Stellen an und besichtigte die Wiederaufbauarbeiten. Es ist ein trotziges Signal an Biden, dass die Nato den Krieg verloren hat.

* M. K. Bhadrakumar hat rund drei Jahrzehnte als Karrierediplomat im Dienst des indischen Aussenministeriums gewirkt. Er war unter anderem Botschafter in der früheren Sowjetunion, in Pakistan, Iran und Afghanistan sowie in Südkorea, Sri Lanka, Deutschland und in der Türkei. Seine Texte beschäftigen sich hauptsächlich mit der indischen Aussenpolitik und Ereignissen im Mittleren Osten, in Eurasien, in Zentralasien, Südasien und im Pazifischen Asien. Sein Blog heisst «Indian Punchline».

Quelle: https://www.indianpunchline.com/us-paranoid-about-russia-china-summit/, 19. März 2023

(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)

1 https://www.icc-cpi.int/news/situation-ukraine-icc-judges-issue-arrest-warrants-against-vladimir-vladimirovich-putin-and

2 https://www.politico.eu/article/nato-is-racing-to-arm-its-russian-borders-can-it-find-the-weapons-eastern-edge-military-leaders-james-j-townsend-jr-us-one-billion-citizens-army-europe/

3 https://tass.com/politics/1589407

4 https://www.fmprc.gov.cn/mfa_eng/zxxx_662805/202302/t20230224_11030713.html

5 https://www.schweizer-standpunkt.ch/news-detailansicht-de-international/peking-ergreift-die-initiative-im-ukraine-konflikt.html

6 https://www.fmprc.gov.cn/mfa_eng/zxxx_662805/202303/t20230317_11043633.html

7 https://www.politico.com/news/2023/03/12/biden-united-states-ukraine-relationship-cracks-00086654

8 https://www.politico.eu/article/zelenskyy-digs-in-against-calls-to-quit-bakhmut-us-western-allies-eu-russia-frontlines-valeriy-zaluzhnyy-kyiv-soledar-kupol/

9 https://tass.com/politics/1590801

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