Ein afghanischer Standpunkt

Einzug der Taliban in Kabul

Aus aktuellem Anlass veröffentlicht der «Schweizer Standpunkt» Analysen aus verschiedenen Regionen der Welt zu den Ereignissen in Afghanistan.

Zamir Awan (Bild zvg)

von Zamir Awan*

(23. August 2021) Das Leben ist ganz normal, Internet und Mobilfunk funktionieren routinemässig. Die Geschäfte sind geöffnet, der Verkehr läuft normal, die Schulen sind geöffnet, alles scheint ganz normal zu sein. Die Regierung funktioniert, die Bürokratie funktioniert, die Polizei funktioniert, nur Ex-Präsident Ashraf Ghani ist nicht in Afghanistan.

Erst vor wenigen Tagen verkündeten die USA, dass es drei Monate dauern würde, bis die Taliban in Kabul einmarschieren würden, doch tatsächlich brauchten die Taliban nur Stunden, um Kabul zu erobern. Keine einzige Kugel wurde abgefeuert, keine einzige Person wurde getötet oder verletzt, kein Krieg, der Einzug der Taliban in Kabul war eines der friedlichsten Ereignisse in der Geschichte der Menschheit.

Berichte aus anderen Grossstädten Afghanistans, die in den letzten Tagen von den Taliban eingenommen wurden, berichten von einem ganz normalen Leben, die tägliche Routine ist wie gewohnt, Geldautomaten funktionieren wie üblich. Frauen arbeiten in Restaurants, Mädchen gehen zur Schule, vor Ort hat sich nichts geändert, ausser dass die von den USA unterstützte Marionettenregierung von Ashraf Ghani durch die Taliban ersetzt wurde.

Die breite Öffentlichkeit hat die Taliban willkommen geheissen, und es gab fast keinen Widerstand. In der Tat sind die Taliban echte Afghanen und kämpften gegen die ausländische Besatzung Afghanistans. Ashraf Ghani war nur eine Marionette wie Dr. Najeed, der in den 1980er Jahren von der UdSSR unterstützt wurde.

Einige Länder verbreiten absichtlich falsche Informationen und verzerren das Bild der Taliban, aber vor Ort hat die Welt, oh Wunder, eine reibungslose Machtübergabe erlebt. Der Öffentlichkeit wurde eine Generalamnestie gewährt, und nur diejenigen, die Waffen gegen die Regierung erheben, werden mit eiserner Hand behandelt.

«Unheilige» Medien haben eine Kampagne gestartet, um das Bild der Taliban zu verzerren und ein negatives Narrativ über sie zu verbreiten. Doch die Welt hat ein ganz anderes Bild gesehen. Tatsächlich ist die Taliban-Führung gut ausgebildet, und einige von ihnen haben Abschlüsse von renommierten Universitäten in Amerika und Europa. Sie sind mit allen Arten von modernem Wissen ausgestattet, einschliesslich Naturwissenschaften, Technologie, Ingenieurwesen, Wirtschaft, Politik usw. Sie sind nicht nur religiöse Gelehrte. Sie fliegen Hubschrauber und benutzen moderne Kriegsmaschinen.

Die Taliban sind nicht mehr so wie vor zwei Jahrzehnten, sie haben bittere Lektionen gelernt und sich weiterentwickelt. Heute sind sie gemässigt, gut ausgebildet, moderat und mit allen Fähigkeiten ausgestattet, um ein Land zu führen. Sie stehen bereits in diplomatischem Kontakt mit vielen Ländern, darunter China, Russland, Iran, Pakistan, der EU und die OIZ-Länder [OIZ=Organisation für Islamische Zusammenarbeit]. Vor zwanzig Jahren haben sie sehr gelitten, als nur drei Länder ihre Herrschaft in den Jahren 1996–2001 anerkannten. Aber dieses Mal wird es viel besser sein, und das haben sie bei der Eroberung von Kabul bewiesen.

Tatsächlich waren es die USA, die gegen das vereinbarte Friedensabkommen verstossen haben, den Abzug verzögerten und Luftangriffe gegen die Taliban flogen. Die Taliban hingegen haben sich strikt an das Friedensabkommen gehalten und während des Abzugs keine ausländischen Truppen angegriffen. Der russische Aussenminister bezeichnete die Taliban als «vernünftige Menschen». Die Welt hat sie als viel bessere Menschen als die Amerikaner angesehen.

Alle UN-Organisationen und diplomatischen Vertretungen sind sicher und funktionieren ordnungsgemäss. Russland hat angekündigt, dass es seine Botschaft in Kabul nicht schliessen wird. Viele andere Länder haben zugestimmt, ihre Botschaften in Kabul zu belassen und eng mit der neuen Regierung zusammenzuarbeiten. Es wird geschätzt, dass mehr als hundert Länder die neue Regierung in Kabul anerkennen werden. Es ist möglich, dass Amerika, Indien, Israel und das Vereinigte Königreich einige Zeit brauchen, um sich mit der neuen Regierung vertraut zu machen.

Der amerikanische Standpunkt, dass sie keine Regierung akzeptieren werden, die die Macht mit Gewalt an sich reisst, ist völlig inakzeptabel. Die Taliban sind die Wahl des afghanischen Volkes und werden von der breiten Öffentlichkeit begrüsst. Sie erfreuen sich grosser Beliebtheit. Ashraf Ghani oder Hamid Karsai waren Marionettenregierungen und keine Vertreter des afghanischen Volkes. Sie waren weder in Afghanistan beliebt, noch verfolgten sie die afghanischen Interessen. Stattdessen dienten sie ihren ausländischen Herren und kassierten im Gegenzug Geld. Die Regierung Ashraf Ghani war eine der korruptesten Regierungen.

Die USA haben zwei Jahrzehnte damit verbracht, Billionen von Dollar auszugeben, die afghanische Nationalarmee mit 400 000 Mann aufzustellen, aber diese hat keinen Widerstand gegen die Taliban geleistet. Es ist nicht nur die Demütigung und Niederlage der Marionetten, sondern auch ihrer Herren. Eine besiegte Armee hat keine moralische Berechtigung, so etwas zu kommentieren. Die Taliban sind die Gewinner und befinden sich in einer starken Position. Sie haben das Recht, die Bedingungen zu stellen. Es ist wie in dem Fall, als Deutschland und Japan nach ihrer Niederlage im Zweiten Weltkrieg keine andere Wahl hatten, als sich den Bedingungen zu fügen.

China hat im Rahmen der BRI-Initiativen [«Neue Seidenstrasse»] bereits Investitionspläne in Afghanistan. China hat sich verpflichtet, das vom Krieg zerstörte Land wiederaufzubauen und die Infrastruktur zu entwickeln. China verfügt über Geld, Technologie und politische Massnahmen im Rahmen der BRI, um Afghanistan zu helfen. Afghanistan liegt an einer sehr wichtigen alten Seidenstrasse, die Ostasien, Südasien, Zentralasien, China, Russland und Eurasien miteinander verbindet und über den Hafen von Gwadar (Pakistan) weiter nach Afrika, Europa und in den Nahen Osten führt.

Die gesamte Region hat durch die Unruhen und den Krieg in Afghanistan stark gelitten. Es wird erwartet, dass mit dem Frieden in Afghanistan unter der Herrschaft der Taliban die gesamte Region ihre wirtschaftlichen Aktivitäten ausbauen und dem einfachen Volk Wohlstand bringen wird. Die gesamte Region wird von dem Frieden und der Stabilität in Afghanistan profitieren. Alle Nachbarn Afghanistans und die regionalen Mächte müssen sich dafür einsetzen, Frieden und Stabilität in Afghanistan zu schützen.

Es ist zu befürchten, dass Verderber wie die USA, Indien und Israel versuchen könnten, das Land zu destabilisieren und den Frieden in Afghanistan zu sabotieren. Insbesondere die vitalen Interessen der USA, China einzudämmen und Russland zu bekämpfen, könnten Unruhe in Afghanistan verursachen.

In der Tat haben die USA die Infrastruktur in Afghanistan zerstört, die Wirtschaft geschädigt und das ganze Land in die Steinzeit getrieben. Die internationale Gemeinschaft und die UNO sind aufgerufen, ein Verfahren gegen Amerika wegen Kriegsverbrechen und Erniedrigung der Menschheit in Afghanistan einzuleiten. Es muss eine Kriegsentschädigung für Amerika festgelegt werden, um das vom Krieg zerrüttete Land wieder aufzubauen.

Quelle: http://thesaker.is/taliban-entered-into-kabul/, 15. August 2021

(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)

* Prof. Zamir Ahmed Awan, Sinologe (Ex-Diplomat), Redakteur, Analyst, Non-Resident Fellow des CCG (Center for China and Globalization), National University of Sciences and Technology (NUST), Islamabad, Pakistan. (E-Mail: awanzamir@yahoo.com).

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