«Kinderhilfe Afghanistan»

Lebensmittelverteilung November 2021. (Bild zvg

Jahresbericht Weihnachten 2021

von Annette und Reinhard Erös

(21. Dezember 2021) Red. Gerne veröffentlichen wir den Jahresbericht 2021 der «Kinderhilfe Afghanistan». Seit Jahrzehnten engagieren sich Dr. Reinhard und Annette Erös für die Zivilbevölkerung in Afghanistan. Durch ihre unabhängige und gezielte Arbeit für die «Kinderhilfe Afghanistan» kommt die Hilfe dort an, wo sie dringend benötigt wird.

Reinhard Erös (Bild zvg)

Das Jahr 2021 wird in die Geschichtsbücher Afghanistans und der Nato-Staaten eingehen: Nach 20 Jahren Krieg perfekt ausgebildeter und bestens ausgerüsteter Soldaten des grössten Militärbündnisses der Geschichte zusammen mit 300 000 vom Westen trainierter afghanischen Soldaten und Polizisten gegen eine technisch und zahlenmässig weit unterlegene Gruppe von «islamistischen Gotteskriegern» zogen sich am 15. August die letzten westlichen Soldaten schmählich geschlagen zurück in ihre Heimatländer. Die afghanische Armee übergab die Hauptstadt Kabul kampflos an die Aufständischen.

Fast alle westlichen Hilfsorganisationen liessen in den nächsten Tagen das Land und die Menschen am Hindukusch ebenfalls in Chaos und Elend zurück. Mit etwa 1300 Milliarden Dollar Aufwand ging nicht nur der wohl teuerste Krieg der Geschichte verloren, sondern scheiterte auch der Versuch, mit vorwiegend militärischen Mitteln einen demokratischen Staat aufzubauen. Diese Niederlage hat schon jetzt Auswirkungen auf das Ansehen, die Fähigkeiten und die Glaubwürdigkeit des Westens in der Welt.

Der von den USA 2014 eingesetzte Präsident Ashraf Ghani, zuvor Direktor bei der Weltbank, verliess mit seiner Entourage heimlich mit einem Geldbetrag von etwa 150 Millionen Dollar Kabul und residiert seither in einem Feudal-Hotel in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Von ihm bleiben in Erinnerung die laut Transparancy International weltweit höchste Korruptionsrate und eine explosionsartig vermehrte Produktion von Heroin. An beiden «Welt-Rekorden» hat der Westen einen nicht geringen Anteil.

Die Horror-Bilder vom Kabuler Flughafen, wo zehntausende Afghanen verzweifelt versuchten, mit den letzten Flugzeugen aus dem Land zu fliehen, konnte die gesamte Welt an den Bildschirmen tagelang verfolgen. Seit den vergangenen Wochen drängen weitere Hundertausende, das Land zu verlassen. Und deren Zahl wird in den kommenden Wochen und Monaten deutlich zunehmen in Fluchtrichtung Europa.

Die Kinderhilfe Afghanistan erreichen seither täglich Anfragen von unseren Spendern und Freunden, ob und wie denn nun unsere Projekte im Osten des Landes weiterlaufen. Wir können Sie beruhigen:

Der Betrieb an unseren Schulen und unseren Computer-Ausbildungszentren, die Vorlesungen an der Universität und die ärztliche Versorgung an unseren medizinischen Einrichtungen laufen ungestört. Lediglich in den Bildungseinrichtungen hat sich einiges geändert:

Nach Ende der Sommerferien – ab 5. September – werden die Mädchen der Unter- und Mittelstufe jetzt am Vormittag und am Nachmittag die Jungen – also beide getrennt – unterrichtet. Die Oberklassen werden derzeit nur von Jungen besucht. In einigen Provinzen – vor allem im Norden des Landes – hat die Taliban-Regierung inzwischen das Schulverbot für Mädchen der Oberstufen bereits aufgehoben. Wir erwarten, dass dies in absehbarer Zeit auch im gesamten Land umgesetzt wird.

In Gesprächen mit den neuen Ministern und dem Gouverneur haben wir das Thema Mädchen, Abitur, Studium mehrfach angesprochen und sind auf «vorsichtige» Zustimmung gestossen. An unserer Universität sitzen Jungen und Mädchen weiterhin im selben Hörsaal, allerdings durch einen Vorhang voneinander getrennt.

All unsere Mitarbeiter gehen ihrer täglichen Arbeit ungestört nach. Schulkinder, Lehrer und die Eltern können nach fast zwanzig Jahren jetzt wieder ohne Angst vor Hubschraubern und Drohnen der US-Armee, ohne Panik vor Strassenbomben und Kämpfen zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften das Haus verlassen, zur Schule, auf den Basar oder zur Feldarbeit gehen.

«Der Westen nimmt die Bevölkerung Afghanistans als Geisel»

Der Leiter der «Kinderhilfe Afghanistan» Reiner Erös hat schwere Vorwürfe gegen die westlichen Staaten erhoben: Weil diese das Land seit der Machtübernahme durch die Taliban finanziell nicht mehr unterstützen, würden im Winter dort rund eine Million Kinder verhungern.

In Afghanistan hat der Winter begonnen und Hunderttausende Kinder leiden bittere Armut, berichtet Reinhard Erös, Gründer und Leiter der Kinderhilfe Afghanistan, der sich regelmässig selbst ein Bild von der Lage dort macht. Es fehlen Lebensmittel und warme Kleidung. «Wenn sich das nicht ändert, […] dann werden im Winter in Afghanistan ungefähr eine Million Kinder verhungern.»

«Das hat damit zu tun, nicht dass die Taliban an der Macht sind, sondern dass der Westen die Gelder, die er 20 Jahre in Afghanistan reingepulvert hat jetzt stoppt, um die Taliban unter Druck zu setzen, unsere westlichen Vorstellungen wieder zu übernehmen – und nimmt dafür die Bevölkerung Afghanistans – die Kinder und Frauen – mehr oder weniger als Geisel.»

Das einzig Richtige sei, die eingefrorenen Auslandskonten wieder frei zu geben – auch wenn man damit den Taliban quasi freie Hand liesse. Denn diese «Geiselnahme», wie Erös es nennt, bedeute den Tod Hunderttausender von Kindern und das «ist eine schwerste Verletzung westlicher Werte.»

Quelle: https://www.inforadio.de/rubriken/interviews/2021/12/9/-der-westen-nimmt-die-bevoelkerung-afghanistans-als-geisel-.html vom 9. Dezember 2021

Nach zwei Missernten herrscht brutaler Hunger. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt, dass im Winter mehr als die Hälfte der Einwohner von schweren und schwersten gesundheitlichen Schäden durch Fehl-, Mangel- und Unterernährung bedroht ist und erwartet hunderttausende Tote. Marasmus (Mangel an Eiweiss und Fetten) und Kwashiokor (Hungerödem mit Hungerbauch) bei Kleinkindern und Kindern waren in den vergangenen Jahren im Land nur selten anzutreffen. Jetzt explodieren die Zahlen geradezu. Die Preise für Lebensmittel haben sich in den vergangenen 12 Monaten mehr als verdoppelt. Viele Familien verkaufen Hab und Gut, um überhaupt zu überleben. Wir haben daher neben der laufenden Arbeit ein neues Grossprojekt gestartet: Bekämpfung des Hungers und Versorgung von Säuglingen, Kleinkindern und ihrer Mütter.

An Hotspots in Lagern um Kabul mit ihren mehr als 500 000 internen Flüchtlingen (IDP=Internally Displaced Person) und an besonders arme Familien in der Provinz-Hauptstadt Jalalabad verteilen wir täglich an mehr als 1000 Familien Lebensmittel-Pakete mit Reis, Mehl, Erbsen, Speiseöl, Tee und Zucker. Bei dieser enormen logistischen Arbeit werden wir unterstützt von unseren älteren Schülern und Studenten. In den Kliniken haben wir die tägliche Ausgabe von Säuglingsnahrung verzehnfacht. Zur Verbesserung der medizinischen Versorgung auf dem Land liefern wir jede Woche besonders wichtige Medikamente an die Ärzte. Die Lebensmittel- und Medikamenten-Verteilung werden wir abhängig vom Spendenaufkommen bis in das Jahr 2022 fortsetzen können.

Die bislang kaum mit Strom versorgten Arztpraxen in den Provinzen Nangahar, Kunar und Laghman werden komplett mit Photovoltaik-Dachanlagen versorgt. Damit ist auch in der dunklen Jahreszeit eine Versorgung rund um die Uhr möglich. Bei all diesen neuen Projekten haben wir die dankbare Unterstützung der neuen Regierenden erfahren. Wegen des zunehmenden sogenannten load-shedding (Stromausfall) statten wir die von uns gebauten christlich-moslemischen Schulen in Sargoda/Pakistan ebenfalls mit Photovoltaik aus. Bis Mitte 2022 werden wir all unsere Einrichtungen dort zuverlässig mit Elektrizität versorgt haben.

Besonders glücklich und stolz sind wir auf unsere Mitarbeiter: Keiner unserer Lehrerinnen und Lehrer, keiner unserer Ärzte und Ärztinnen hat sich bislang aus den Projekten zurückgezogen und versucht, das Land zu verlassen.

Dies hat sicher auch damit zu tun, dass wir in unsere Projekte von Anfang an stets die religiösen Würdenträger, auch den Taliban nahestehenden Mullahs, einbezogen haben. Die neuen Regierenden und Behörden wissen, dass bei uns Korruption nie eine Rolle spielte.

Wir haben den Kommandeuren der US-Armee deutlich und erfolgreich klar gemacht, dass sie unsere Projekte nicht «schützen» müssen, und dass sich ihre Soldaten den Schulen erst gar nicht nähern sollen.

Diese Vorgehensweise ist den neuen Machthabern bekannt und wird von ihnen jetzt gewürdigt. Wir können also damit rechnen, dass sie unsere Arbeit nicht nur nicht behindern, sondern sie unterstützen. Dies ist schon jetzt der Fall. Sowohl bei der Lebensmittel-Verteilung wie beim Bau der Photovoltaik-Anlagen in den Dörfern sind «Taliban-Polizisten» anwesend, trinken mit unseren Mitarbeitern gemeinsam Grünen Tee und sorgen für eine reibungslose Arbeit. Vermutlich wird das Thema Afghanistan in den nächsten Wochen in Politik und Medien an Bedeutung verlieren. Damit den geschundenen Menschen am Hindukusch geholfen wird, braucht es auch weiterhin Information. Wir kommen daher gerne zu Ihnen, um in Veranstaltungen zum Thema «Quo vadis Afghanistan» vorzutragen und zu diskutieren. Laden Sie uns ein.

Sollten Sie regelmässig Informationen wünschen, nehmen wir Sie gerne in unseren Rundmail-Verteiler auf. Schicken Sie uns einfach eine E-Mail.

Wir wünschen eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit und ein gesundes, friedliches Neues Jahr.

Ihre Annette und Reinhard Erös

Kinderhilfe Afghanistan, Dr. Reinhard und Annette Erös, Im Anger 25, D-93098 Mintraching
Tel: +49 940 69 05 60 , www.kinderhilfe-afghanistan.de, eroesbavaria@t-online.de

Spendenkonto: Kinderhilfe Afghanistan: Liga Bank Regensburg, IBAN: DEO8 7509 0300 0001 3250 00,
BIC: GENODEF1MO5

Überweisungen bitte immer unter Angabe Ihrer Postanschrift. Spenden sind andernfalls nicht eindeutig zuzuordnen, da Ihre Kontonummer als eindeutige Identifikation nicht mehr übertragen wird.

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