Steigende Spannungen

Russland will die USA zwingen, die UNO-Charta zu respektieren

Thierry Meyssan (Bild
réseau voltaire)

von Thierry Meyssan*

(15. Januar 2022) Russland und China haben kürzlich die Vereinigten Staaten schriftlich aufgefordert, die Charta der Vereinten Nationen zu respektieren und ihr Wort zu halten. Dieses Vorgehen, frei von jeglicher Aggressivität, stellt nicht nur das Funktionieren der UNO, der Nato und der Europäischen Union in Frage, sondern fast alle Vorwärtsbewegungen der USA seit der Auflösung der UdSSR. Für Washington ist dies offensichtlich inakzeptabel. Aber die amerikanische Hypermacht ist nicht mehr das, was sie einmal war. Sie wird ihren Rückzug beginnen müssen.

Die heutige Welt wird von den Vereinigten Staaten von Amerika und der Nato angeführt, die sich als die einzigen Weltmächte präsentieren, obwohl die Russische Föderation und die Volksrepublik China sowohl wirtschaftlich als auch militärisch mächtiger sind als sie.

Am 17. Dezember 2021 veröffentlichte Moskau den Entwurf eines bilateralen Vertrags mit Washington, der Garantien für den Frieden1 vorsieht, sowie den Entwurf eines Abkommens zu dessen Umsetzung.2 Diese Dokumente richten sich nicht gegen die USA, sie wollen einzig erreichen, dass Washington die UNO-Charta umsetzt und ihre eigenen Verpflichtungen einhält.Am 23. Dezember, auf der Jahrespressekonferenz von Präsident Putin, löste die Frage der Sky News Journalistin Diana Magnay eine Auseinandersetzung aus. Wladimir Putin antwortete ihr unverblümt, dass Russlands Äusserungen über das Verhalten der USA auf das Jahr 1990 zurückgingen und dass Washington sie nicht nur ignoriert habe, sondern darauf besteht, unverändert weiter machen zu können. Geplant ist, Nato-Waffen in der Ukraine zu stationieren, was für Moskau inakzeptabel wäre.3 Nie zuvor hat sich ein russischer Staatsmann auf diese Weise ausgedrückt. Es ist sehr verständlich, dass das Einrichten von Raketen in vier Flugminuten von Moskau entfernt, eine extreme Bedrohung und einen Kriegsgrund darstellt.

Am 30. Dezember fand ein Telefongespräch zwischen den Präsidenten Biden und Putin statt. Die amerikanische Seite hat Vorschläge zur Lösung der ukrainischen Frage gemacht, während die russische Seite die Diskussion auf die Verletzungen der UN-Charta durch die USA und deren Missachtung ihrer Versprechen zurückführt.

Die USA erwägen, ihren guten Willen zu zeigen, indem sie die Ukraine nicht in die Nato aufnehmen. Dies ist eine Sichtweise, die die gestellte Frage nur am Rande berührt und die wahrscheinlich einen Krieg nur verhindern kann, wenn gleichzeitig Rückzugsmassnahmen getroffen werden.

Offensichtlich treten wir in eine Periode extremer Konfrontation ein, die mehrere Jahre dauern wird und jeden Moment in einen Weltkrieg ausarten kann.

In diesem Artikel untersuchen wir diesen Konflikt, der im Westen vollkommen unbekannt ist.

1 – Die Ausdehnung der Nato bis an die Grenze Russlands

Während des Zweiten Weltkriegs überliessen die USA der Sowjetunion absichtlich die grösste [militärische] Last. Zwischen 22 und 27 Millionen sowjetischen Bürger starben (13 bis 16 Prozent der Bevölkerung), verglichen mit 418 000 US-Amerikanern (0,32 Prozent der Bevölkerung). Als dieses Gemetzel endete, bildeten die USA in Westeuropa ein Militärbündnis, die Nato, worauf die UdSSR mit der Gründung des Warschauer Paktes reagierte.

Schnell erwies sich die Nato als ein Zusammenschluss, der gegen das in Artikel 2 der UNO-Charta4 festgelegte Prinzip der staatlichen Souveränität verstiess. Dies prangerten die Länder der Dritten Welt 1955 auf der Bandung-Konferenz5 auch an. Letztlich verstiess auch die UdSSR gegen die UNO-Charta, als sie 1968 die Breschnew-Doktrin annahm und sie den Mitgliedern des Warschauer Paktes aufzwang.

Als die UdSSR aufgelöst wurde und einige ihrer ehemaligen Mitglieder ein neues Militärbündnis gründeten, den Vertrag über kollektive Sicherheit (OVKS), beschlossen sie in Übereinstimmung mit der UNO-Charta, daraus eine Konföderation [Staatenbund] zu machen.

Um klarzustellen, was der Unterschied zwischen Föderation und Konföderation ausmacht, nehmen wir ein Beispiel: Während des [US-amerikanischen] Sezessionskriegs bildeten die Nordstaaten eine Föderation [Zusammenschluss], weil die Entscheidungen ihrer Regierung für alle Mitgliedstaaten bindend waren. Im Gegensatz dazu bildeten die Südstaaten eine Konföderation, in der jeder Mitgliedstaat souverän blieb und seine Entscheidungsfreiheit behielt.

Da die Nato eine föderale Organisation ist, konnten Washington und London, die die Nato leiten, in allen Mitgliedstaaten intervenieren. Das Atlantische Bündnis organisierte terroristische Operationen in Italien, die sogar zur Ermordung des Ministerpräsidenten Aldo Moro führten (Operation Gladio). Es organisierte einen Staatsstreich in Griechenland, um das demokratische Regime zu stürzen, oder finanzierte die Geheimarmee OAS (Organisation de l'Armée Secrète), die etwa 40 Attentate auf Präsident Charles De Gaulle verübte.6

Als 1989 die Berliner Mauer und der Eiserne Vorhang fielen, wollten die Deutschen ihre Nation zu einem Land vereinen. Dies bedeutete jedoch die Ausweitung der Nato auf das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik. Vorerst waren die Sowjets dagegen. Dann wurde eine Wiedervereinigung mit Neutralisierung des Gebiets der DDR in Betracht gezogen. Schliesslich akzeptierte Generalsekretär Michail Gorbatschow die Erweiterung der Nato durch die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten unter der Bedingung, dass das Bündnis keine Osterweiterung anstrebt.

Der westdeutsche Bundeskanzler Helmut Kohl, sein Aussenminister Hans-Dietrich Genscher und der französische Staatspräsident François Mitterrand unterstützten gemeinsam die russische Position: Die Nato müsse sich verpflichten, nicht mehr nach Osten zu expandieren. Der US-Präsident George H. Bush Sr. und sein Aussenminister James Baker gaben in diesem Sinne wiederholt öffentliche Äusserungen und Verpflichtungen vor all ihren Gesprächspartnern ab.7

Sobald die UdSSR aufgelöst war, traten drei neutrale Länder der Europäischen Union bei: Österreich, Finnland und Schweden. Die EU und die Nato sind jedoch ein und dieselbe Entität, zivil und militärisch, beide mit Sitz in Brüssel. Gemäss dem Vertrag über die Europäische Union, der durch den Vertrag von Lissabon geändert wurde (Artikel 42–7), ist es die Nato, die die Verteidigung der Europäischen Union sicherstellt, unabhängig davon, ob deren Mitglieder auch Mitglieder der Nato sind oder nicht. De facto sind diese neutralen Länder seit ihrem Beitritt zur Europäischen Union nicht mehr wirklich neutral.

1993 kündigte der Europäische Rat von Kopenhagen an, dass die Länder Mittel- und Osteuropas der Europäischen Union beitreten könnten. Von da an verlief der Prozess der Nato-Mitgliedschaft der ehemaligen Mitglieder des Sowjetblocks reibungslos, abgesehen von den üblichen russischen Bemerkungen.

Während der 90er Jahre war Russland jedoch nur mehr ein Schatten seiner selbst. Sein Reichtum wurde von 90 als «Oligarchen» bezeichneten Personen geplündert. Der Lebensstandard brach zusammen und die Lebenserwartung der Russen sank plötzlich um 20 Jahre. Damals hörte niemand auf das, was Moskau sagte.

1997 rief der Nato-Gipfel in Madrid die Länder des ehemaligen Sowjetblocks auf, dem Nordatlantikvertrag beizutreten. Nach Ostdeutschland (1990), aber die nächsten fünf Male unter Verletzung des gegebenen Wortes, waren es 1999 die Tschechische Republik, Ungarn und Polen; dann 2004 Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien; 2009 Albanien und Kroatien; 2017 Montenegro; und 2020 auch noch Nord-Mazedonien.

Die Ukraine und Georgien könnten bald einmal der Nato beitreten, während Schweden und Finnland ihre theoretische Neutralität aufgeben und offen dem Atlantischen Bündnis beitreten könnten.

Was 1990 inakzeptabel war, ist auch heute noch inakzeptabel. Es kann nicht zugelassen werden, dass Nato-Raketen nur wenige Flugminuten von Moskau entfernt stationiert werden.

Die gleiche Situation gab es 1962. Die USA hatten in der Türkei an der Grenze der UdSSR Raketen stationiert. Als Reaktion darauf hatten die Sowjets Raketen auf Kuba an der amerikanischen Grenze installiert. US-Präsident John Kennedy entdeckte in letzter Minute die hochgefährliche Situation, in die das Pentagon die USA gebracht hatte. Dank seines Botschafters bei den Vereinten Nationen gelang es ihm, die Situation zu klären. Der damalige Vorsitzende des US-Generalstabs, General Lyman Lemnitzer, war heftig antisowjetisch und beabsichtigte, einen Atomkrieg zu provozieren.

Glücklicherweise ist sein derzeitiger Nachfolger, General Mark Milley, viel klüger und unterhält höfliche Beziehungen zu seinen russischen Amtskollegen.

Die UNO-Charta wurde 1945 auf der Konferenz von San
Francisco, USA, von 50 Staaten ausgehandelt. In der
Kommission 1, befasst mit der Präambel, werden Stimmen
ausgezählt. (Bild keystone/Photopress-Archiv/Str)

2 – Die Verletzungen der Charta der Vereinten Nationen

Die UNO-Charta wurde 1945 auf der Konferenz von San Francisco von 50 Staaten ausgehandelt, noch bevor sowjetische Truppen Berlin einnahmen und die Kapitulation des Nazi-Reiches bewirkten. Sie wurde einstimmig angenommen. Seitdem haben 147 weitere Staaten die Charta unterzeichnet, insgesamt also 197 Staaten.

Der russische Vorschlag vom 17. Dezember 2021 für einen bilateralen Vertrag zwischen den USA und Russland zur Sicherung des Friedens besagt in Artikel 2: «Die Parteien stellen sicher, dass alle internationalen Organisationen, Militärbündnisse und Koalitionen, an denen mindestens eine der Parteien teilnimmt, die in der Charta der Vereinten Nationen enthaltenen Grundsätze einhalten.» Aus den oben dargelegten Gründen enthält dies implizit die Umwandlung der Nato oder ihre Auflösung.

Artikel 4 desselben Vorschlags sieht vor, dass Staaten, die früher Mitglieder der Sowjetunion waren, der Nato nicht beitreten dürfen. Dies bedeutet, dass Estland, Lettland und Litauen austreten müssten und dass weder die Ukraine noch Georgien ihr beitreten dürfen.

Artikel 7 des russischen Vorschlags verbietet die Stationierung von Atomwaffen ausserhalb der eigenen Grenzen. Dies impliziert den sofortigen Abzug der Atombomben, die beispielsweise in Italien und Deutschland – in Verletzung des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen von 1968 – illegal gelagert werden.

Darüber hinaus verpflichtet die Achtung der Charta der Vereinten Nationen, zur ursprünglichen Funktionsweise der UNO zurückzukehren und die illegalen Praktiken aufzugeben, die diese Organisation seit der Auflösung der Sowjetunion betreibt.

Unmerklich erfüllt die UNO nicht nur ihre satzungsgemässen Ziele nicht mehr, sondern verwandelt sich mehr und mehr in eine Agentur für die Umsetzung amerikanischer Entscheide. Zum Beispiel sind Blauhelme – die einst «Vermittler zwischen den Konfliktparteien» waren – seit der Auflösung der UdSSR zu «Friedenssicherungstruppen» geworden.

Sie begnügen sich heute nicht mehr damit, eingesetzt zu werden, wenn zwei kriegsführende Parteien einen Waffenstillstand geschlossen haben. Vorher wurden sie mit der ausdrücklichen Zustimmung beider Parteien eingesetzt, um dafür zu sorgen, dass die Vereinbarungen eingehalten wurden.

Heute kümmern sie sich nicht mehr um die Zustimmung der Protagonisten oder um die Existenz einer Vereinbarung zwischen ihnen. In der Praxis, während der zwanzig Jahre des Zusammenbruchs Russlands, billigte der UNO-Sicherheitsrat Einsätze nur aufgrund einer Entscheidung durch die USA. Faktisch standen die Blauhelme daher hauptsächlich im Dienst des Pentagons.

Das eklatanteste Beispiel dafür ist der Fall Libyen. Die USA organisierten und finanzierten vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf falsche Zeugenaussagen, die behaupteten, dass Muammar Gaddafi sein eigenes Volk bombardieren würde.8 Diese Erklärungen wurden dem Sicherheitsrat übermittelt. Washington erhielt darauf eine Resolution, die es der Nato erlaubte, zu intervenieren, um «die Bevölkerung» Libyens vor ihrem «Diktator» zu «retten».

Vor Ort eingetroffen, verbot die Nato den afrikanischen Staatsoberhäuptern zu überprüfen, was dort geschah, und drohte, sie alle zu töten. Dann bombardierte sie Libyen und tötete etwa 120 000 Menschen, die sie angeblich «beschützen» wollte. Schliesslich spaltete sie das Land in drei Teile und installierte Terroristen an der Macht in Tripolis.9

Im Falle Syriens wurde noch weiter gegangen. Die UNO, die die Arabische Liga angewiesen hatte, eine Untersuchung vor Ort durchzuführen, um Berichte über einen Bürgerkrieg zu überprüfen, stellte keine Fragen, als die Mission ohne Erklärung abgebrochen wurde. Aber es war so, dass die Experten der einundzwanzig arabischen Länder in einem vorläufigen Bericht festgestellt hatten, dass die US-Informationen falsch waren.10

Dann ernannten die USA Jeffrey Feltman, den für den Erweiterten Nahen Osten zuständigen Assistenten von Aussenministerin Hillary Clinton, zum Assistenten von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon. Feltman hat die Operationen der Alliierten in diesem Krieg aus wirtschaftlicher, politischer und militärischer Sicht koordiniert.11 Jahre später, als dieser Herr schon längst weitergezogen war, um andere Verbrechen unter anderen Himmeln zu begehen, sind seine Direktiven zum Aushungern Syriens für die UNO-Agenturen immer noch gültig.12

Dies führt uns zum Problem der UNO-Agenturen. Viele von ihnen dienen als Deckmantel für die Aktivitäten der Vereinigten Staaten. In dieser Zeit der Covid-19-Epidemie konnte beispielsweise jedermann feststellen, dass die Beiträge der Mitgliedstaaten für diese Agentur weniger als 20% ihres Budgets ausmachen, während die Spenden der Bill and Melinda Gates Foundation allein 10% ausmachen.

Tatsächlich werden manche Aktionen der WHO stark von privaten Interessen beeinflusst. So enthüllte Russlands ständiger Vertreter im Sicherheitsrat, Vitaly Schurkin, dass das Büro des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge im Jahr 2012 Hunderte bewaffnete Dschihadisten per Schiff von Libyen in die Türkei transportiert habe, um die sogenannte Freie syrische Armee zu bilden.

Das ist aber nicht alles. Der Sicherheitsrat hat während der Zeit der russischen Schwäche eine Vielzahl Sanktionen gegen verschiedene Staaten verabschiedet. Zahlreiche hochrangige UNO-Beamte sehen vor Ort, dass diese Sanktionen Hungersnöte verursachen und Zivilisten töten. Aber sie wurden angenommen und können nur durch eine Abstimmung aufgehoben werden, die die USA jedoch ablehnen. Diese sogenannten «Sanktionen» sind keine Strafen, die nach einem Urteil verhängt wurden, sondern es sind Waffen, mit denen im Namen der Vereinten Nationen gegen ganze Völker vorgegangen wird.

Da es Washington nicht mehr gelingt, im Sicherheitsrat neue Sanktionen durchzusetzen, verabschiedet es sie jetzt einseitig und zwingt die Europäische Union, seine Vasallin, diese umzusetzen. So ermorden die EU-Europäer Zivilbevölkerungen, diesmal aber im Namen der «Demokratie».

3 – Die russisch-chinesische Strategie

Im Westen wird angekündigt, was geschehen soll, um sich die Urheberschaft eines Ereignisses zuschreiben zu können. Oft tut man nichts, um es möglich zu machen, man wartet darauf, und gratuliert sich zum Voraus. Dies nennt man den «Ankündigungseffekt». In Russland und China dagegen, wo weniger geredet wird, verkündet man nur das, was man sicher erreichen wird. Oft sind die Ankündigungen sogar bereits Enthüllungen dessen, was schon passiert ist.

Wenn Präsident Putin ankündigt, dass er die USA in die Schranken weisen wird, so ist das nicht verhandelbar. Russland weiss, dass Präsident Joe Biden seine Streitkräfte nicht zurückziehen kann. Es will ihn dazu zwingen, vielleicht langsam, aber sicher. Wie ein Schachspieler kennt Moskau die nächsten Züge bereits. Es genügt ihm seine Stärke zu zeigen und möglicherweise am Rand zuzuschlagen. Zum Beispiel könnte das russische Militär seine Hyperschallraketen vorführen, damit alle verstehen, dass damit jedes Ziel auf der Erde zerstört werden kann. Oder es könnte die US-Streitkräfte an einem Ort treffen, den sie illegal besetzen.

Am 15. Dezember 2021 haben Moskau und Peking ihr Militärbündnis bekanntgegeben. Dies geschah zwei Tage vor der Veröffentlichung des Entwurfs des Vertrags mit den USA. Die Präsidenten Wladimir Putin und Xi Jinping unterhielten sich per Videokonferenz, um den russischen Vorschlag zu unterstützen. China hat offiziell auf der Legitimität dieser Forderung Russlands bestanden. Obwohl es viele chinesisch-russische Differenzen, ja sogar Konfliktpunkte wie in Ostsibirien gibt, sind Moskau und Peking dazu verdammt, sich gegenseitig zu unterstützen. Beide Länder haben in der nicht allzu fernen Vergangenheit den Ansturm der Westmächte erlitten. Sie haben die Heuchelei dieser Partner erlebt und wissen, dass sie einander brauchen, um ihnen zu widerstehen.

In den letzten Jahren hat Russland die Kontrolle über neue Waffen erlangt. 2014 wurde aufgezeigt, dass es die Kommunikation und die Befehle eines US-Zerstörers, der USS Donald Cook, neutralisieren konnte. Dies geschah, obwohl das Schiff mit dem Aegis-System ausgestattet war, das es mit allen US-Raketenwerfern13 und sogar mit einem Flugzeugträger wie der USS Ronald Reagan verband.14 Anschliessend zeigte es im Nahen Osten, dass es den Raum, in dem es alle Nato-Kommunikationen und -Kommandos neutralisieren kann, auf einen Radius von 300 Kilometer ausdehnen kann.15 Derzeit verfügt Russland über eine Überlegenheit in konventionellen Konflikten.

Die französische Technik der Hyperschallwaffen, die von der Nato lange Zeit nicht genutzt wurde, wurde von den Sowjets und später von den Russen perfektioniert.16 Es ist jetzt die entscheidende Waffe, die in der Lage ist, jedes Ziel irgendwo auf der Erde nuklear zu treffen. Eine Trägerrakete durchquert die Atmosphäre, nimmt beim Umkreisen der Erde Geschwindigkeit auf und stürzt nach Wiedereintritt in die Atmosphäre auf ihr Ziel zu. Ihre Geschwindigkeit ist so hoch, dass niemand sie abfangen kann. Diese Waffe macht den «Raketenabwehrschild» der Nato obsolet.17 Derzeit hat Russland die Überlegenheit in nuklearen Konflikten.18

Moskau hat diese Waffe in einer Zwischenversion Peking und wahrscheinlich auch Pjöngjang zur Verfügung gestellt. Der stellvertretende Vorsitzende des US-Generalstabs, Admiral Christopher Grady, erkannte Russlands technologischen Vorsprung an und gab bekannt, dass die USA hart daran arbeiten, um ihren Rückstand aufzuholen. Obwohl Präsident Donald Trump die militärische Forschung wiederbelebt hat, wird das Pentagon dazu noch viele Jahre brauchen.

Der Syrien-Krieg war für Moskau eine Gelegenheit, eine Vielzahl neuer Waffen zu testen, von denen sich einige als dem Westen weit überlegen erwiesen. Gleichzeitig zeigt das Scheitern des gigantischen F-35-Flugzeug-Programms, das nicht in der Lage ist, alle seine Verpflichtungen zu erfüllen, dass die US-Militärforschung ins Stocken geraten ist. Dieses Mehrzweckflugzeug wird wohl in grösserer Zahl an alliierte Länder verkauft, wurde aber von der US-Luftwaffe aufgegeben. Sie stützt sich auf eine erneuerte Version des alten F-16.

Dazu kommt, dass China eine effiziente Satellitenzerstörungstechnik entwickelt hat, die offensichtlich mit Russland geteilt wurde. Die Zerstörung eines alten sowjetischen Satelliten am 15. November 2021, unweit der Internationalen Raumstation, löste innerhalb der Nato starke Emotionen aus. Jetzt könnten China und Russland die gesamten Nato-Armeen innerhalb weniger Stunden taub und blind machen.

* Thierry Meyssan ist Politischer Berater und Gründungspräsident des Voltaire Netzwerk. Sein aktuellstes Buch in Französisch heisst: Sous nos yeux – Du 11-Septembre à Donald Trump und liegt auch auf Englisch vor.

Quelle: https://www.voltairenet.org/article215202.html, 4. Januar 2022

(Übersetzung Horst Frohlich, Korrekturlesen Werner Leuthäusser und «Schweizer Standpunkt»)

1 «Draft Treaty betweeen the USA and Russia on Security Guarantees», Voltaire Network, 17. Dezember 2021.

2 «Draft Agreement on measures to ensure the security of Russia and NATO», Voltaire Network, 17. Dezember 2021.

3 «Vladimir Putin’s annual news conference», by Vladimir Putin, Voltaire Network, 23. Dezember 2021.

4 «Charte des Nations Unies» vom 26. Juni 1945, Réseau Voltaire.

5 Siehe die zehn Prinzipien der Bandung-Konferenz, die als Referenz für unsere Arbeit dienen, in: «Über das Voltaire Netzwerk», Voltaire Netzwerk, 29. März 2016.

6 Daniele Ganser. NATO’s secret armies: operation Gladio and terrorism in Western Europe, Routledge (2001). Deutsche Ausgabe: Daniele Ganser. Nato-Geheimarmeen in Europa. Verlag Orell Füssli.

7 «Nato Expansion: What Gorbachev Heard», National Security Archives, 12. Dezember 2017.

8 Ein von uns veröffentlichtes geheimes Dokument bestätigt, dass die Mitglieder des libyschen Übergangsrates Angestellte der Vereinigten Staaten waren. S/AC.52/2011/NOTE.93.

9 «Wie die Al-Qaida Leute in Libyen zur Macht kamen», von Thierry Meyssan, Voltaire Netzwerk, 7. September 2011.

10 «Rapport du chef de la Mission des observateurs de la Ligue Arabe en Syrie pour la période du 24/12/2011 au 18/01/2012», Réseau Voltaire, 2. Februar 2012.

11 «Deutschland und die Uno gegen Syrien», von Thierry Meyssan, Zeit Fragen (Schweiz), Al-Watan (Syrien), Voltaire Netzwerk, 28. Januar 2016.

12 «Parameter und Grundsätze der Hilfe der Vereinten Nationen für Syrien», von Jeffrey D. Feltman, Voltaire Netzwerk, 15. Oktober 2017.

13 «Was machte dem USS Donald Cook im Schwarzen Meer so Angst?», Voltaire Netzwerk, 22. September 2014.

14 «Russland stört die Steuerung des Flugzeugträgers Ronald Reagan und der 7. Flotte“, Voltaire Netzwerk, 5. November 2015.

15 «L’armée russe bloque partiellement l’espace aérien du Liban et de Chypre», Réseau Voltaire, 21. November 2015.

16 «Die russische Hyperschall-Verteidigung», von Valentin Vasilescu, Voltaire Netzwerk, 29. Mai 2016.

17 «Das neue russische nukleare Arsenal stellt wieder die Bipolarität der Welt her», von Thierry Meyssan, Voltaire Netzwerk, 6. März 2018.

18 «Wladimir Putin Ansprache an die russische Föderalversammlung», von Wladimir Putin, Voltaire Netzwerk, 20. Februar 2019.

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