Venezuelas Öl, ein US-geführter Regimewechsel und Amerikas Gangsterpolitik

von Jeffrey D. Sachs* und Sybil Fares**

(14. November 2025) Der fadenscheinige moralische Vorwand lautet heute «Kampf gegen Drogen», doch das eigentliche Ziel ist der Sturz einer souveränen Regierung, und der Kollateralschaden ist das Leiden des venezolanischen Volkes. Wenn Ihnen das bekannt vorkommt, dann deshalb, weil es so ist.

Jeffrey D. Sachs (Foto
Gabriella C. Marino)

Die Vereinigten Staaten1 holen ihr altes Drehbuch für einen Regimewechsel in Venezuela2 wieder hervor. Obwohl sich der Slogan von «Wiederherstellung der Demokratie» zu «Kampf gegen Drogenterroristen» geändert hat, bleibt das Ziel dasselbe, nämlich die Kontrolle über das Öl Venezuelas.3 Die Methoden der USA sind bekannt: Sanktionen,4 die die Wirtschaft strangulieren, Androhung von Gewalt und eine Belohnung von 50 Millionen Dollar für die Ergreifung des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro, als wäre dies der Wilde Westen.

Die USA sind kriegssüchtig. Mit der Umbenennung des Verteidigungs- in ein Kriegsministerium, einem vorgeschlagenen Pentagon-Budget5 von 1,01 Billionen Dollar6 und mehr als 750 Militärstützpunkten in rund 80 Ländern ist dies kein Land, das Frieden anstrebt. Seit zwei Jahrzehnten ist Venezuela ein ständiges Ziel des Regimewechsels durch die USA. Das Motiv, das Präsident Donald Trump klar dargelegt hat,7 sind die rund 300 Milliarden Barrel Ölreserven unter dem Orinoco-Gürtel, die grössten Erdölreserven der Welt.

Sybil Fares. (Bild www.
laprogressive.com)

Im Jahr 2023 erklärte Trump offen:8 «Als ich ging, stand Venezuela kurz vor dem Zusammenbruch. Wir hätten es übernommen, wir hätten all das Öl bekommen … aber jetzt kaufen wir Öl aus Venezuela, also machen wir einen Diktator sehr reich.»

Seine Worte offenbaren die zugrunde liegende Logik der US-Aussenpolitik, die die Souveränität völlig missachtet und stattdessen die Aneignung der Ressourcen anderer Länder begünstigt.

Was heute stattfindet, ist eine typische, von den USA angeführte Operation zum Regimewechsel, die mit den Begriffen der Drogenbekämpfung verschleiert wird. Die USA haben Tausende Soldaten,9 Kriegsschiffe und Flugzeuge in der Karibik und im Pazifik zusammengezogen. Der Präsident hat prahlerisch die CIA ermächtigt,10 verdeckte Operationen in Venezuela durchzuführen.

Am 26. Oktober 2025 trat Senator Lindsey Graham (R-S.C.)11 im nationalen Fernsehen auf, um die jüngsten US-Militärschläge12 gegen venezolanische Schiffe zu verteidigen und zu sagen, dass Landangriffe innerhalb Venezuelas und Kolumbiens13 eine «reale Möglichkeit» seien. Der Senator aus Florida, Rick Scott,14 äusserte in derselben Nachrichtensendung, dass er, wenn er Nicolás Maduro wäre, «sich sofort auf den Weg nach Russland15 oder China16 machen würde». Diese Senatoren wollen die Vorstellung normalisieren, dass Washington17 entscheidet, wer Venezuela regiert und was mit seinem Öl geschieht. Man erinnere sich daran, dass Graham sich in ähnlicher Weise dafür einsetzt, dass die USA gegen Russland in der Ukraine kämpfen,18 um sich die 10 Billionen Dollar an Bodenschätzen zu sichern, von denen Graham törichterweise behauptet, dass sie für die USA zur Verfügung stünden.

Auch Trumps Vorgehen gegenüber Venezuela ist nichts Neues. Seit mehr als 20 Jahren versuchen aufeinanderfolgende US-Regierungen, die Innenpolitik Venezuelas dem Willen Washingtons zu unterwerfen. Im April 2002 wurde der damalige Präsident Hugo Chávez durch einen kurzlebigen Militärputsch vorübergehend gestürzt. Die CIA19 kannte die Details des Putsches im Voraus, und die USA erkannten die neue Regierung sofort an. Am Ende übernahm Chávez wieder die Macht. Dennoch beendeten die USA ihre Unterstützung für einen Regimewechsel nicht.

Im März 2015 kodifizierte Barack Obama20 eine bemerkenswerte Rechtsfiktion. Obama unterzeichnete die Executive Order 13692,21 in der er die innenpolitische Lage Venezuelas als «ungewöhnliche und aussergewöhnliche Bedrohung» für die nationale Sicherheit der USA erklärte, um US-Wirtschaftssanktionen auszulösen. Dieser Schritt bereitete den Boden für eine Eskalation der Zwangsmassnahmen seitens der USA. Das Weisse Haus22 hält seitdem an dieser Behauptung einer «nationalen Notlage» fest. Trump fügte während seiner ersten Amtszeit immer drakonischere Wirtschaftssanktionen hinzu. Erstaunlicherweise erklärte Trump im Januar 2019 Juan Guaidó, damals eine Oppositionsfigur, zum «Interimspräsidenten» Venezuelas, als ob Trump einfach einen neuen venezolanischen Präsidenten ernennen könnte. Diese Tragikomödie der USA zerfiel schliesslich 2023, als die USA diesen gescheiterten und lächerlichen Schachzug aufgaben.

Die USA schlagen nun ein neues Kapitel der Ressourcenaneignung auf. Trump spricht seit langem offen davon, «das Öl zu behalten». Im Jahr 2019 sagte Präsident Trump bei einer Diskussion über Syrien:23 «Wir behalten das Öl, wir haben das Öl, das Öl ist sicher, wir haben nur wegen des Öls Truppen zurückgelassen.»

Für diejenigen, die daran zweifeln: US-Truppen sind auch heute noch im Nordosten Syriens24 stationiert und besetzen die Ölfelder. Anfang 2016 sagte Trump über Iraks Öl:25 «Ich habe das ständig und konsequent jedem gesagt, der es hören wollte: Behaltet das Öl, behaltet das Öl, behaltet das Öl, lasst es nicht jemand anderen bekommen.»

Jetzt, mit neuen Militärschlägen gegen venezolanische Schiffe und offenen Gesprächen über Landangriffe, beruft sich die Regierung auf Drogen, um einen Regimewechsel zu rechtfertigen. Doch Artikel 2(4) der Charta der Vereinten Nationen26 verbietet ausdrücklich «die Androhung oder Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates». Keine US-Theorie über «Kartellkriege» rechtfertigt auch nur im Entferntesten einen erzwungenen Regimewechsel.

Schon vor den Militärschlägen wirkten die Zwangsmassnahmen der USA wie eine Belagerungsmaschine. Obama schuf 2015 den Rahmen für Sanktionen, und Trump nutzte ihn weiter als Waffe, um Maduro zu stürzen. Die Behauptung lautete, dass «maximaler Druck» die Venezolaner stärken würde. In der Praxis haben die Sanktionen jedoch weitreichendes Leid verursacht. Wie der Ökonom und renommierte Sanktionsexperte Francisco Rodríguez27 in seiner Studie «Human Consequences of Economic Sanctions» [Menschliche Folgen wirtschaftlicher Sanktionen] feststellte, haben die Zwangsmassnahmen der USA zu einem katastrophalen Rückgang des Lebensstandards in Venezuela, einer drastischen Verschlechterung der Gesundheits- und Ernährungssituation und schwerwiegenden Schäden für schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen geführt.

Der fadenscheinige moralische Vorwand ist heute der Kampf gegen Drogen, doch das eigentliche Ziel ist der Sturz einer souveränen Regierung, und der Kollateralschaden ist das Leiden der venezolanischen Bevölkerung. Wenn Ihnen das bekannt vorkommt, dann deshalb, weil es so ist. Die USA haben wiederholt Regimewechseloperationen durchgeführt, um Öl, Uran, Bananenplantagen, Pipelinetrassen und andere Ressourcen zu erlangen: Iran (1953),28 Guatemala (1954),29 Kongo (1960), Chile (1973),30 Irak (2003),31 Haiti (2004),32 Syrien (2011), Libyen (2011)33 und Ukraine (2014), um nur einige Fälle zu nennen. Jetzt ist Venezuela an der Reihe.In ihrem brillanten Buch «Covert Regime Change» (2017)34 beschreibt Professor Lindsay O'Rourke detailliert die Machenschaften, Rückschläge und Katastrophen von nicht weniger als 64 verdeckten US-Operationen zum Regimewechsel in den Jahren 1947–1989! Sie konzentrierte sich auf diesen früheren Zeitraum, da viele wichtige Dokumente aus dieser Zeit inzwischen freigegeben wurden. Tragischerweise setzt sich das Muster einer US-Aussenpolitik, die auf verdeckten (und nicht ganz so verdeckten) Operationen zum Regimewechsel basiert, bis heute fort.

Die Forderungen der US-Regierung nach einer Eskalation spiegeln eine rücksichtslose Missachtung der Souveränität Venezuelas, des Völkerrechts und des menschlichen Lebens wider. Ein Krieg gegen Venezuela wäre ein Krieg, den die Amerikaner nicht wollen, gegen ein Land, das die USA weder bedroht noch angegriffen hat, und auf rechtlichen Grundlagen, die selbst ein Jurastudent im ersten Jahr als unzulässig erkennen würde. Das Bombardieren von Schiffen, Häfen, Raffinerien oder Soldaten ist kein Zeichen von Stärke. Es ist der Inbegriff von Gangstertum.

* Jeffrey D. Sachs ist Professor an der Columbia University, Direktor des Zentrums für nachhaltige Entwicklung an der Columbia University und Präsident des UN Sustainable Development Solutions Network. Er war Berater von drei UN-Generalsekretären und ist derzeit SDG-Anwalt von Generalsekretär António Guterres.
** Sybil Fares ist Spezialistin und Beraterin für Nahostpolitik und für nachhaltige Entwicklung bei SDSN. https://www.commondreams.org/author/sybil-fares

Quelle: https://www.commondreams.org/opinion/us-regime-change-venezuela, 4. November 2025

(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)

1 https://www.commondreams.org/tag/united-states

2 https://www.commondreams.org/tag/venezuela

3 https://www.commondreams.org/tag/oil

4 https://www.commondreams.org/tag/sanctions

5 https://www.commondreams.org/tag/pentagon

6 https://www.commondreams.org/tag/budget

7 https://www.commondreams.org/tag/donald-trump

8 https://www.presidency.ucsb.edu/documents/remarks-the-north-carolina-republican-convention-greensboro

9 https://www.aljazeera.com/amp/news/2025/10/25/what-military-force-has-the-us-positioned-off-venezuelas-coast

10 https://www.bbc.com/news/articles/c0ex1jq9pdvo

11 https://www.youtube.com/watch?v=f9yx5pnh9ac

12 https://www.commondreams.org/tag/us-military

13 https://www.commondreams.org/tag/colombia

14 https://www.cbsnews.com/news/nicolas-maduro-venezuela-power-60-minutes/

15 https://www.commondreams.org/tag/russia

16 https://www.commondreams.org/tag/china

17 https://www.commondreams.org/tag/washington

18 https://www.commondreams.org/tag/ukraine

19 https://www.commondreams.org/tag/cia

20 https://www.commondreams.org/tag/barack-obama

21 https://www.presidency.ucsb.edu/documents/executive-order-13692-blocking-property-and-suspending-entry-certain-persons-contributing

22 https://www.commondreams.org/tag/white-house

23 https://www.youtube.com/watch?v=U10p3Tn9V5Y

24 https://www.commondreams.org/tag/syria

25 https://www.youtube.com/watch?v=q7oT_wL1C84

26 https://www.un.org/en/about-us/un-charter/full-text

27 https://www.cepr.net/wp-content/uploads/2023/05/FINAL-The-Human-Consequences-of-Economic-Sanctions-Rodriguez-7.pdf

28 https://www.commondreams.org/tag/iran

29 https://www.commondreams.org/tag/guatemala

30 https://www.commondreams.org/tag/chile

31 https://www.commondreams.org/tag/iraq

32 https://www.commondreams.org/tag/haiti

33 https://www.commondreams.org/tag/libya

34 https://www.jstor.org/stable/10.7591/j.ctt21h4v86

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