Wann sind wir im Krieg?

Willy Wimmer (Bild zvg)

Willy Wimmers Sicht von einem ernsten Vorgang*

(28. September 2022) «Die Antwort auf diese Frage hängt bislang von der Bewertung der Russischen Föderation in Anbetracht der westlichen Vorgehensweise in der Ukraine und der russischen Einschätzung der Opportunität ab, ob und wann aus den Erkenntnissen Schlüsse zu ziehen sind.

Jede Seite tut gut daran, eine rechtlich saubere Argumentation für das eigene Handeln nach den anerkannten Regeln des Völkerrechts, auch nach den Erkenntnissen aus dem völkerrechtswidrigen Krieg der Nato gegen Jugoslawien zu liefern. Dabei wurde ein angeblich bestehendes ‹Recht zum Schutz› ausserhalb des eigenen Staatsgebietes postuliert.

Das betrifft auch die Frage danach, wann man sich nach der eigenen Wahrnehmung im Krieg befindet. Dazu haben die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages vor Monaten wegweisende Ausführungen vorgelegt.1 Es ist empfehlenswert, diese Grundsätze neben die jetzt neu ablaufende, tatsächliche Entwicklung zu legen.

Durch die möglichen Volksabstimmungen in bestimmten Gebieten könnte es Entscheidungen in der Russischen Föderation geben, die im russischen Staatsverständnis eine Verschiebung der russischen Staatsgrenze um mindestens 200 km nach Westen bedeuten. Alle Aktivitäten der Nato finden dann nicht in einem Bürgerkriegsgebiet der Ukraine, sondern nach russischer Ansicht gegen Russland gerichtet statt.

Das genannte Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages macht in Anbetracht der tatsächlichen Bewertungen aus Unterstützungsleistungen auf der Seite der Ukraine in einem Bürgerkriegsgebiet eine militärische Aktion der Nato gegen die Russische Föderation. Damit wird die Türe zum globalen Krieg direkt aufgestossen. Die Rede von Präsident Putin am 21. September 2022 hat das unmissverständlich deutlich gemacht.

Den Bündnisfall braucht die Nato dann nicht mehr auszurufen, weil sie es ist, die den Angriff führt.»

* Willy Wimmer, geboren 1943, studierte Jura und ist seit 1959 Mitglied der CDU. Er war 1976 bis 2009 Mitglied des Bundestages und beschäftigte sich dabei vornehmlich mit Außen- und Sicherheitspolitik. Von 1985 bis 1988 war er verteidigungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion und von 1988 bis 1992 Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Wimmer war von 1994 bis 2000 Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE.

Quelle: https://www.nachdenkseiten.de/?p=88421, 23. September 2022

1 https://www.bundestag.de/resource/blob/892384/d9b4c174ae0e0af275b8f42b143b2308/WD-2-019-22-pdf-data.pdf

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