Neutralität oder Nato?

Zeitenwende in Österreich – noch mehr Nato-Annäherung

von Thomas Oysmüller*

(13. September 2024) Österreich wird der Nato noch näher kommen, das ist der Plan in der neuen «Sicherheitsstrategie». Damit kommt Österreich eine andere Rolle als im ersten Kalten Krieg zu. Die ÖVP-Grün-Regierung – die autoritärste Regierung seit der Gründung der Zweiten Republik Österreichs – ist bald Geschichte. Doch auf den letzten Metern der Legislaturperiode versucht man noch einige Weichen zu stellen. So haben Kogler und Nehammer nun eine «Sicherheitsstrategie» vorgestellt, auf die man sich geeinigt hat. Eine parlamentarische oder gar öffentliche Debatte gab es dazu nicht. Der Kurs: Noch näher an die Nato rücken.

Thomas Oysmüller.
(Bild zvg)

Neutralität?

Auf dem Papier wird Österreich weiter «neutral» bleiben, daran dürfte sich auch in der nächsten Regierung (hinter den Kulissen der politischen Theaterbühne sieht man die Konstellation ÖVP-SPÖ-NEOS als wahrscheinlichste kommende Regierung an) nichts ändern. Doch de facto ist Österreich Nato-Land: Man produziert für die deutsche Bundeswehr, lässt Nato/US-Truppentransporte durch das Land, nimmt am SkyShield-Raketenprogramm teil und beteiligt sich am Wirtschaftskrieg gegen Russland.

Im Papier spricht man von einer «Kooperation» zwischen der Nato und Österreich. Ob dies aber wirklich auf Augenhöhe geschieht, ist wohl fraglich:

«Es ist wesentlich, dass wir die Kooperationsmöglichkeiten mit der Nato in den Bereichen Konfliktprävention, Krisenmanagement und kooperative Sicherheit sowie im Interesse der Stärkung der Interoperabilität unserer militärischen Kapazitäten ausschöpfen», schreibt man im Papier. Zwischen den Zeilen ist klar herauszulesen, dass es auch um den Ausbau der Kriegskapazitäten geht.

In der bisherigen Sicherheitsdoktrin Österreichs galt Russland – auch als Nachfolgestaat der Sowjetunion – noch als «strategischer Partner». Russland ist nun Gegner, der einen «hybriden» Krieg gegen Österreich führt, so heisst es im Papier. Im neuen Kalten Krieg wird Österreich also eine andere Rolle einnehmen als im Kalten Krieg bis 1990. Diesmal wird man sich – auch durch die EU-Mitgliedschaft, die erst umgesetzt wurde, nachdem die Sowjetunion den [kalten] Krieg verloren hatte – de facto in den westlichen Block eingegliedert haben. Zusätzlich thematisiert man auch China und den «menschengemachten Klimawandel» – weshalb es mehr Klimaschutz brauche.

Auf TKP-Nachfrage äusserte sich die russische Botschaft nicht aktuell zum neuen Sicherheitspapier – man verweist auf frühere Stellungnahmen. Wien sei demnach schon lange kein neutraler unbefangener Vermittler mehr – etwa wie zu Zeiten des Kalten Krieges zwischen der Sowjetunion und den USA. Stattdessen hat sich das Land in den «kollektiven Westen» eingegliedert – bisher ohne dass ein Ausweg in Sicht ist.

Russische Energie, bisher für die österreichische und deutsche Industrie die Lebensader, um konkurrenzfähig sein zu können, soll nicht mehr nach Österreich kommen. Das wurde auch im Sicherheitspapier ausgewiesen. Bis 2027 will man aussteigen, ob und wie das realistisch durchgeführt werden kann – ohne das Land massgeblich zu deindustrialisieren – bleibt natürlich offen.

Die Opposition kritisiert die neue Sicherheitsstrategie. Die Liste Madeleine Petrovic spricht von einer «Unsicherheitsstrategie», die «Österreich gefährdet».

* Thomas Oysmüller, Jahrgang 1990, studierte Philosophie und Sozialwissenschaften, ist freier Journalist und arbeitete früher beim deutschen Onlineradio detektor.fm, einige Jahre bei zackzack.at sowie für kleinere Zeitungen.

Quelle: https://tkp.at/2024/08/28/zeitenwende-in-oesterreich-noch-mehr-nato-annaeherung/, 28. August 2024

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