Nackte Macht und Julian Assange

William J. Astore. (Bild bracingviews.com)

von William J. Astore,* USA

(20. Juni 2022) Das schlimmste Verbrechen, das man in den Augen der Mächtigen begehen kann, ist, sie in Verlegenheit zu bringen und ihre Verbrechen aufzudecken. Genau das hat Julian Assange getan, vor allem über die Kriegsverbrechen der USA im Irak, und deshalb wird er gejagt und bestraft. Assange muss leiden, und er leidet sehr, weil er die Wahrheit über die Mächtigen zu den Ohnmächtigen gesagt hat. Das ist wohl die wichtigste Aufgabe eines echten Journalisten: die Mächtigen zur Rechenschaft zu ziehen, die Wahrheit zu enthüllen, wenn sich so viele verschwören, um sie zu verbergen. Aber die meisten Journalisten sind kein Muster an Mut, so wie die meisten Menschen es auch nicht sind. Es gibt nur wenige Mutige, und zu ihnen gehört Assange.

Wenn Sie ein Journalist sind, der etwas bewirken und Licht in dunkle Ecken bringen will, trauen Sie sich dann, es mit der US-Regierung und dem amerikanischen Staatsschutz aufzunehmen, weil sie Assange verfolgen? Wollen Sie Jahre in einem Hochsicherheitsgefängnis verbringen, fast in völliger Isolation, und mit einer Auslieferung an die USA wegen einer falschen und unsinnigen Anklage rechnen? Die Verfolgung von Assange durch die US-Regierung zielt zwar darauf ab, ihn zu bestrafen und zum Schweigen zu bringen, aber in Wirklichkeit geht es darum, andere Journalisten einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen. Wer wagt es nun, dem Beispiel von Assange zu folgen?

Macht wirkt am freiesten, das heisst am tyrannischsten, wenn sie nicht durch Rechenschaftspflicht eingeschränkt wird. Je mehr Assange leidet, desto mehr gleitet Amerika in den Autoritarismus ab. Grossbritannien und Australien schliessen sich dem Abdriften Amerikas in Richtung Tyrannei an, wobei Grossbritannien Assange inhaftiert und seiner Auslieferung zustimmt und Australien nichts unternimmt, um die Verfolgung eines seiner eigenen Bürger zu stoppen. So gross ist der korrumpierende Einfluss der Macht.

Julian Assange, bevor er wegen seiner Enthüllungen weggesperrt wurde.
(Bild KEYSTONE/AFP/LEON NEAL)

Wie üblich hat George Orwell all dies in «1984» erklärt, als er die Natur der Macht beschrieb:

«Die Partei strebt die Macht ausschliesslich um ihrer selbst willen an. Wir sind nicht am Wohl der anderen interessiert, sondern nur an der Macht. Nicht Reichtum oder Luxus oder langes Leben oder Glück; nur Macht, reine Macht. [...] Niemand ergreift jemals die Macht mit der Absicht, sie wieder abzugeben. Macht ist kein Mittel, sie ist ein Ziel. [...] Das Ziel der Verfolgung ist die Verfolgung. Das Ziel der Folter ist die Folter. Das Ziel der Macht ist die Macht. Verstehen Sie mich jetzt langsam?»

Wie die Figur des Winston Smith in «1984» hat Assange nun das Wesen der Macht vollständig verstanden. Das hat ihn einen enormen Preis gekostet. Doch Assange hat auch dem Rest von uns das Wesen unserer Regierung offenbart, die Art und Weise, wie sie brutal Macht einsetzt, um ihr Machtmonopol zu erhalten.

Die Frage ist: Werden wir etwas dagegen unternehmen? Oder ist es bereits zu spät? Und wenn wir uns wie Winston Smith (und Julian Assange) dafür entscheiden, Widerstand zu leisten, werden wir dann in unsere eigenen Versionen von «Raum 101» gebracht, nach dem auch wir unsere Liebe zu Big Brother erklären werden?

* William J. Astore ist Oberstleutnant im Ruhestand (USAF) und Professor für Geschichte. Sein persönlicher Blog ist Bracing Views.

Quelle: http://bracingviews.com/2022/06/18/naked-power-and-julian-assange/, 18. Juni 2022

(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)

Stella Assange: «Wir werden dagegen ankämpfen»

«Wir werden alle Rechtsmittel ausschöpfen», sagte Stella Assange am Freitag, den 17. Juni auf einer Pressekonferenz in London, nachdem die Innenministerin den Auslieferungsbeschluss unterzeichnet hatte.
Die Ehefrau von Julian Assange und einer seiner Anwälte schworen am Freitag, gegen die Entscheidung der britischen Innenministerin Priti Patel anzukämpfen, einen Auslieferungsbeschluss zu unter­zeichnen, der den inhaftierten WikiLeaks-Herausgeber Julian Assange in die USA schickt, wo er wegen Spionage und Eindringen in Computer angeklagt wird.
«Dieses Ergebnis, befürchten wir bereits seit einem Jahrzehnt», sagte Assanges Anwältin Jennifer Robinson auf einer Pressekonferenz in London. "Diese Entscheidung ist eine ernste Bedrohung für die Meinungsfreiheit, nicht nur für Julian, sondern für jeden Journalisten, Redakteur und Medien­schaffenden.»

Quelle: https://consortiumnews.com/2022/06/17/stella-assange-we-are-going-to-fight-this/

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