Eidgenössische Volksinitiative

Die Mikrosteuer als Steuer der Zukunft

Guy Mettan (Bild zvg)

von Guy Mettan,* Mitglied des Initiativkomitees, Genf

(3. Mai 2021) Am 25. Februar 2020 wurde im Bundesblatt der Text der Eidgenössischen Volksinitiative «Mikrosteuer auf dem bargeldlosen Zahlungsverkehr» veröffentlicht und damit der Weg für die Unterschriftensammlung geebnet.

Die Idee basiert auf einer einfachen Prämisse: In einer Welt, in der die Wirtschaft zunehmend dematerialisiert wird und Arbeitsplätze durch Roboter konkurrenziert werden und immer weniger an die physische Wirtschaft gebunden sind, wird das aus dem Industriezeitalter übernommene Prinzip der Besteuerung der Arbeit und der Individuen obsolet.

Das Ausmass der elektronischen Transaktionen ist schwindelerregend geworden und steht in keinem Verhältnis zu den Bedürfnissen der Produktion von Waren und Dienstleistungen. Im Jahr 2017 erreichten die globalen Schulden bei einem Welt-BSP [Bruttosozialprodukt] von etwa 81 000 Milliarden Dollar 233 000 Milliarden (das 3-fache des BSP) und die Derivate 750 000 Milliarden (fast das 10-fache des Welt-BSP)! Die Beträge und die Anzahl dieser Transaktionen, die durch den Hochfrequenzhandel und andere technologische Hilfsmittel erleichtert werden, sind weitgehend undurchsichtig. Auch die Anzahl der Derivatgeschäfte bleibt ein grosses Geheimnis! Seit 2013 schweigt die Schweizerische Nationalbank (SNB). Damals schwankte die Zahl der Interbanktransaktionen zwischen 1,6 und 2 Millionen pro Tag bei täglichen Beträgen von rund 500 Milliarden.

Eine vorsichtige Schätzung beziffert jedoch die gesamte Steuerbasis der Transaktionen in der Schweiz auf 100’000 Milliarden CHF (das 150-fache des nationalen BIP [Bruttoinlandprodukt]).

Die unmittelbare Auswirkung der Mikrosteuer würde also darin bestehen, Transparenz in diese Finanztransaktionen zu bringen und sie zu einem extrem niedrigen Satz zu besteuern (zwischen 0,01 im ersten Jahr und maximal 0,5 Promille danach, wobei sich der Satz entsprechend der Basis des Vorjahres entwickeln kann) und das auf einfache und kostengünstige Weise, da alle Transaktionen bereits von den Banken erfasst werden, die ihre Provisionen von diesen Transaktionen abziehen.

Mit einem Steuersatz von 0,25 Promille würde diese Lösung ein ausreichendes Steueraufkommen ermöglichen, um die Mehrwertsteuer (23 Milliarden im Jahr 2018), die Direkte Bundessteuer (22,4 Milliarden) und die Stempelsteuer (2,1 Milliarden) abzuschaffen, wobei etwaige Überschüsse zum Beispiel für den ökologischen Übergang und den Kampf gegen die globale Erwärmung verwendet werden könnten.

Die Mikrosteuer würde für alle Finanztransaktionen gelten, was auch immer sie sein mögen, vom Kauf eines Morgenkaffees bis zum Verkauf eines Hauses, vom Gehaltseinzug bis zu Börsentransaktionen, für alle Unternehmen und Privatpersonen mit Sitz in der Schweiz. Aber der sehr niedrige Steuersatz – viel niedriger als zum Beispiel die Kommissionen für Zahlungen mit einer Kreditkarte – und die einfache Erhebung (keine Erklärung für die Mehrwertsteuer oder die Direkte Bundessteuer mehr nötig!) machen sie sehr wettbewerbsfähig, während sie gleichzeitig die Fairness (kleine Einkommen und KMUs werden durch 7,7% Mehrwertsteuer mehr benachteiligt als durch eine 0,5 Promille-Mikrosteuer) und die Steuerneutralität (die Mikrosteuer soll bestehende Steuern ersetzen und nicht zu ihnen hinzukommen) bewahrt.

Wie jede innovative Idee ruft auch diese Idee Ängste hervor und Avenir Suisse, mit seinen häufigen hochtrabenden Vorschlägen, hat sich bereits öffentlich dagegen geäussert, da nicht klar sei, wer bezahlt (Antwort: alle, einschliesslich des Finanzsektors). Die SNB und die Finanzwelt sind immer noch unschlüssig, wohl wissend, dass das derzeitige Finanz-Casino-System nicht nachhaltig ist und dass die aktuellen Entwicklungen uns dazu zwingen, die Besteuerung der Zukunft vorzubereiten, bevor uns eine wirtschaftliche, soziale oder gesundheitliche Krise dazu zwingt. In einem Land, in dem die Auseinandersetzungen über Steuerfragen jahrelang dauern, ist es nicht zu früh, die Diskussion zu eröffnen.

* Guy Mettan ist Politologe und Journalist. Von 1997 bis 2020 war er Direktor des «Club Suisse de la Presse» in Genf. Heute arbeitet er als freischaffender Journalist und Buchautor.

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Eidgenössische Volksinitiative «Mikrosteuer auf dem bargeldlosen Zahlungsverkehr»

Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert:

Art. 128 Mikrosteuer auf dem bargeldlosen Zahlungsverkehr

1 Der Bund erhebt auf jeder Belastung und jeder Gutschrift des bargeldlosen Zahlungsverkehrs eine Mikrosteuer mit einem einheitlichen Steuersatz. Er bezweckt damit eine einfache Besteuerung und transparente Finanzströme. Der maximale Steuersatz der Mikrosteuer beträgt 5 Promille.

2 Die Mikrosteuer ersetzt die Mehrwertsteuer, die direkte Bundessteuer und die Stempelsteuer.

3 Der Ertrag der Mikrosteuer wird für die Finanzierung der Aufgaben des Bundes und für die Kompensation der Kantone verwendet.

4 Das Gesetz regelt die Mikrosteuer nach folgenden Grundsätzen:

a. In der Schweiz werden die Abwickler von bargeldlosen Zahlungen verpflichtet, die Mikrosteuer automatisch einzuziehen; die Abwickler werden dafür entschädigt.

b. Systematische Verrechnungen unterliegen ebenfalls der Mikrosteuer; die Steuerpflicht ist durch Selbstdeklaration zu erfüllen.

c. Bargeldlose Zahlungen im Ausland von Personen mit steuerlicher Ansässigkeit in der Schweiz unterliegen ebenfalls der Mikrosteuer; deren Steuerpflicht ist durch Selbstdeklaration zu erfüllen.

d. Erheben Staaten eine der schweizerischen Mikrosteuer gleichwertige Steuer, so schliesst der Bund entsprechende Doppelbesteuerungsabkommen ab.

5 Sinn und Zweck der Mikrosteuer sind zu respektieren.

Art. 130 Aufgehoben

Art. 132 Sachüberschrift und Abs. 1 Verrechnungssteuer: Aufgehoben

Art. 197 Ziff. 12

12. Übergangsbestimmungen zu Art. 128 (Mikrosteuer auf dem bargeldlosen Zahlungsverkehr)

1 Die Bundesversammlung erlässt innerhalb von vier Jahren nach Annahme von Artikel 128 durch Volk und Stände die zu dessen Ausführung sowie zur Aufhebung der Mehrwertsteuer, der direkten Bundessteuer und der Stempelsteuer erforderlichen Bestimmungen.

2 Im ersten Jahr nach Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen beträgt der Steuersatz 0,05 Promille. In der Folge wird der Steuersatz so angepasst, dass die Mehrwertsteuer, die direkte Bundessteuer und die Stempelsteuer reduziert und so bald wie möglich aufgehoben werden können.

3 Die Schweizerische Nationalbank veröffentlicht nach Annahme von Artikel 128 durch Volk und Stände monatlich die Gesamtheit des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, einschliesslich Giroüberträge, Interbank-Zahlungen, Intrabank-Zahlungen und Zahlungen über neue Technologien.

Quelle : Eidgenössische Volksinitiative «Mikrosteuer auf dem bargeldlosen Zahlungsverkehr»

Weitere Informationen: https://mikrosteuer.ch/de/die-initiative/aktuell/

Die Frist zur Sammlung der 100 000 benötigten Unterschriften dauert bis Ende Oktober 2021.

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