Eidgenössische Volksabstimmung vom 15. Mai 2022

«Wer mein Herz will, muss mich fragen»

von Dr. med. Sabine Vuilleumier-Koch

(4. Mai 2022) Unter dieses Leitmotiv stellt das überparteiliche Komitee «Nein zur Organspende ohne Zustimmung» seine Argumentation für die eidgenössische Abstimmung vom 15. Mai. Die Forderung eines Menschen, für die Entnahme von Organen, Geweben und Zellen aus seinem Körper ausdrücklich um seine Zustimmung gefragt zu werden, leuchtet unmittelbar ein. Auch der kleinste medizinische Eingriff wie zum Beispiel eine Blutentnahme oder eine Impfung kann heute nur mit der aufgeklärten Zustimmung des Patienten durchgeführt werden («informed consent»). So soll es auch bleiben.

Das revidierte Transplantationsgesetz aber sieht vor, dass künftig jeder Mensch, der im Spital stirbt, potenziell zum Spender von Herz, Niere, Leber, Gewebe oder Zellen werden kann, hat er nicht zu Lebzeiten Widerspruch dagegen eingelegt. Künftig soll somit Schweigen als Zustimmung gedeutet werden können. Hat sich der Betreffende zu Lebzeiten nicht geäussert, so werden die nächsten Angehörigen von den Ärzten befragt – sie sollen im Sinne des soeben Verstorbenen über die Organentnahme entscheiden. Eine schwierige Aufgabe.

Es darf nicht sein, dass das Menschenrecht auf Unversehrtheit des Körpers nur noch gilt, wenn es eingefordert wird. «Grundrechte gibt uns nicht der Staat – wir haben sie, weil wir Menschen sind. Der Staat ist da, um die Grundrechte zu schützen. Wo wird das Prinzip, einen fehlenden Widerspruch als Zustimmung zu deuten, als Nächstes angewendet? Beim Datenschutz? Bei der Besteuerung? Ich finde das eine bedenkliche Entwicklung. Es hat mich erstaunt, dass dies im Parlament kaum diskutiert wurde.» Dies sagt die Rechtsprofessorin Franziska Sprecher von der Universität Bern. «Das wäre so, als müsste man an seiner Wohnungstüre einen Hinweis anbringen, dass hier nicht eingebrochen werden darf», fügt Ständerat Josef Dittli, ebenfalls Mitglied des Referendumskomitees, an. Die im revidierten Transplantationsgesetz formulierte Widerspruchsregelung verletze das in der Bundesverfassung garantierte Recht auf persönliche Freiheit und körperliche Unversehrtheit und sei deshalb ein Angriff auf unsere freiheitliche Grundordnung.

Die Frage von Frau Professor Sprecher ist von grosser gesellschaftspolitischer und auch medizinethischer Relevanz. In welchem Bereich werden die Grundrechte als Nächstes eingeschränkt, wenn die Organspende nicht mehr freiwillig ist, also nicht mehr auf einer bewussten Entscheidung basiert?

Von den Befürwortern der Vorlage wird argumentiert, man wolle Leben retten und brauche dafür mehr Organe – mit anderen Worten: nach Eintritt des Hirntods soll der Körper der Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich im Interesse Dritter verwertet werden dürfen.

Die Bedeutung der Einhaltung der Grundrechte – der Rechte, die wir haben, weil wir Menschen sind und die vom Staat geschützt werden müssen, darf für den Erhalt eines friedlichen Zusammenlebens nicht unterschätzt werden. Mit einem Nein zur Änderung des Transplantationsgesetzes setzen wir ein Signal gegen die weitere Erosion der Freiheitsrechte.

Weitere Informationen: https://organspende-nur-mit-zustimmung.ch

Zurück