Die Geburt einer neuen globalen Finanzordnung

Guy Mettan (Bild zvg)

von Guy Mettan*, Genf

(30. Mai 2023) Der Krieg in der Ukraine hat das Kippen der Welt nach Asien und in den globalen Süden beschleunigt. Seit Februar 2022 überstürzen sich die Ereignisse sowohl auf politischer als auch auf wirtschaftlicher Ebene: Zunahme der Handelsabkommen in nationalen Währungen, Friedensplan zwischen Saudi-Arabien und dem Iran unter der Ägide Chinas, Zunahme der Anträge auf Mitgliedschaft in den BRICS-Staaten, Projekt einer gemeinsamen Währung zwischen Argentinien und Brasilien, etc.

Sowohl im Westen als auch in Asien und im Globalen Süden wird heftig darüber diskutiert, ob es sich dabei nur um ein unbedeutendes Strohfeuer oder im Gegenteil um die Anfangsphase einer tiefgreifenden und unumkehrbaren Bewegung handelt. Im April dieses Jahres traten zwei führende Vertreter der US-Wirtschaft im renommiertesten Organ des angelsächsischen Imperiums, «Foreign Affairs», auf und behaupteten, dass die Hegemonie des Dollars und die Vorherrschaft der Bretton-Woods-Institutionen IWF und Weltbank, abgestützt auf die absolute Dominanz der nordamerikanischen Waffen und Militärausgaben, in keiner Weise gefährdet seien. Macht Euch keine Sorgen, es ist alles gut, rieten sie besorgten und kritischen Menschen vollmundig. Die USA würden ihre finanzielle, monetäre und militärische Führungsrolle noch lange nicht verlieren verlieren.

Im selben Monat schrieben andere Ökonomen wie Radhika Desai und Michael Hudson (in ihrem jüngsten Geo Economical Report) oder der Staranalyst der «Credit Suisse» Zoltan Pozsar (zehn Tage vor dem Zusammenbruch der Bank) in sehr fundierten Papieren, China versuche mit einem gewissen Erfolg, «den westlichen Finanzkolonialismus zu brechen», und wir seien Zeuge der «Geburt einer neuen globalen Finanzordnung». Nichts weniger als das!

Wer hat nun Recht? Beide Seiten, um genau zu sein.

Zwar ist nichts so unberechenbar wie die Zukunft, aber die Erfahrung zeigt, dass ein Phänomen, wenn es erst einmal offensichtlich geworden ist, nicht mehr geleugnet oder beiseite geschoben werden kann. Sein Auftreten als grosses historisches Ereignis ist nur eine Frage der Zeit. Doch die einen wie die anderen scheitern daran, in Begriffen der Zeit und der Dauer in Betracht zu ziehen. Erstere stellen fest, dass es Jahrzehnte gedauert hat, bis das Pfund Sterling oder der Dollar die Vorherrschaft erlangt hatten, und meinen, die amerikanische Währung sei dazu bestimmt, Jahrhunderte über Jahrhunderte zu herrschen, während letztere, die es eilig haben, dieser Vorherrschaft ein Ende zu setzen, sie schon am liebsten morgen verschwinden sähen.

In diesem Kampf ist jedoch nicht nur der Dollar von Bedeutung. Neben dem politischen Willen, der mittlerweile entscheidend ist, sind auch die Zahlungsmittel (westliches Swift oder chinesisches CIPS), die industrielle Entwicklung, der Zugang zu Energie- und Naturressourcen oder das Schuldenmanagement ausschlaggebend. Wenden wir uns den Schulden zu.

Bisher schafften es die internationalen Geldgeber – hauptsächlich private westliche Bankinstitute – dank des IWF und seiner strikten Sparauflagen immer, die Last auf die verschuldeten Länder des Südens abzuwälzen, denen sie systematisch Schuldenerlasse verweigerten. Nun sind diese, wie zuletzt Ghana, auch bei China hoch verschuldet, das seinerseits bereit ist, Nachlässe zu gewähren, aber nur, wenn die westlichen Banken und Institutionen dies ebenfalls tun, was seit 1945 praktisch nie geschehen ist, wie Griechenland 2015 leidvoll erfahren musste. Fazit: Der Westen hat nicht mehr das Monopol auf das Schuldenmanagement (und seine enormen Gewinne).

Dieses kleine Beispiel sollte uns also bescheidener machen: Längerfristig ist also tatsächlich eine neue, multipolare Finanzordnung im Entstehen begriffen.

* Guy Mettan (1956) ist Politologe, freischaffender Journalist und Buchautor. Seine journalistische Karriere begann er 1980 bei der «Tribune de Genève» und war von 1992 bis 1998 deren Direktor und Chefredaktor. Von 1997 bis 2020 war er Direktor des «Club Suisse de la Presse» in Genf. Guy Mettan ist seit 20 Jahren Mitglied des Genfer Kantonsparlaments.

(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)

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