Erste Vorstufe: Wirtschaftskrieg gegen China?

Prof. Eberhard Hamer (Bild zvg)

von Prof. Dr. Eberhard Hamer*, Deutschland

(2. Mai 2023) (Red.) Mit seinen ungeschminkten Analysen schenkt Professor Eberhard Hamer, Gründer des «Mittelstandinstitut Niedersachsen», dem Leser immer wieder reinen Wein ein. Besonders in diesen Zeiten, in denen die politische Führung Deutschlands, fast wie ein Untervogt Befehle des grossen Bruders entgegennimmt. Wird sich Deutschland der verhängnisvollen Chinapolitik der US-Administration verweigern?

Seit Jahrzehnten engagiert sich Eberhard Hamer für das Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft – den Mittelstand. Sehr viele selbständige Unternehmer –, häufig Familienunternehmer –, kämpfen in diesen Zeiten um das Überleben ihrer Betriebe – eine Folge einer abgehobenen Politik. Für Ränkespiele und Lobbying in Berlin oder Brüssel, wie es sich die Grossen leisten können, bleiben dem Mittelstand kaum Zeit und Möglichkeit. Dies schlägt sich in einer unternehmensfeindlichen Politik nieder, die globale Konzerne bevorzugt und nationale Unternehmen benachteiligt.

Trotz seiner über 90 Lebensjahre nimmt Eberhard Hamer immer wieder das Grosse in den Blick und weist, dank seiner Unabhängigkeit, schonungslos auf Fehlentwicklungen hin. Ein Vorbild aus Deutschland von dem der «Schweizer Standpunkt» gerne profitiert.

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Präsident Biden hat Scholz bei dessen Kurz-Appel in Washington [am 3. März] offenbar vorbereitet, dass die USA Sanktionen gegen China vorbereitet hätten und Deutschland als zweitgrösster Handelspartner Chinas (nach den USA) dabei mitzumachen habe.

Seitdem beschwören die angelsächsische Presse (auch bei uns), Grüne, CDU und FDP die Gefahr der Abhängigkeit unserer Wirtschaft von China.

Offenbar die gleiche Ouvertüre wie beim Ukraine-Krieg: Erst Beschwörung der Abhängigkeit von Russland, dann Sanktionen der USA und ihrer NATO-Satelliten, dann immer mehr Waffenlieferungen und Finanzierung des Krieges durch Europa bis hin zur Kriegsteilnahme mit Munitions-, Panzer- und Haubitzenlieferungen, Ausbildung ukrainischer Soldaten, Ausspähung der russischen Front und Zielvorgaben durch NATO und britische Spezialeinheiten u.a.

Wer nicht schnell genug die amerikanischen Vorgaben erfüllt, dem sprengt Biden die Versorgungsleitungen.

Ob Scholz wohl Gefolgschaft für die kommenden Sanktionen der USA gegen China zugesagt hat?

VW-Werk in Schanghai. Der Handel mit China ist ein wichtiges Standbein
der deutschen Wirtschaft. VW produziert inzwischen 40% seines Umsatzes in
China, BMW und Mercedes fast ein Viertel. (Keystone/Chinaimages/Yu jieyu)

VW produziert 40% seines Umsatzes in China, auch BMW und Mercedes fast ein Viertel. Die deutsche Wirtschaft hat sich an die Arbeitsteilung mit China inzwischen so gewöhnt und so lebenswichtig eingestellt, dass ein plötzlicher Abbruch dieser Beziehung noch verhängnisvoller wäre als der plötzliche Abbruch des Russlandgeschäfts durch die Ukraine-Sanktionen.

Und wenn die Amerikaner wiederum wie gegen Russland zu Beschlagnahmen chinesischen Eigentums in den USA greifen und China das gleiche gegen USA-Eigentum und Eigentum seiner Satelliten vollzieht, haben wir plötzlich in der Welt zwei gleichwertige deutsche Automobilfirmen auf beiden Seiten; je eine deutsche und eine chinesische mit gleicher Technologie, gleicher Qualität, aber zu billigeren chinesischen Preisen. Das gilt auch für Airbus, welches eine vollständige Produktion in China aufgebaut hat und in der eigenen Tochtergesellschaft bei Sanktionen und Krieg einen gleichwertigen Wettbewerber hätte.

Scholz wird sich also entscheiden müssen zwischen der US-Gefolgschaft und Kriegsmassnahmen gegen China, wie sie die EU-Kommissarin von der Leyen, Röttgen, Baerbock und Co. propagieren, oder andererseits in deutschen Interessen der Gefolgschaftsverweigerung der USA, wie sie Macron mit seiner Warnung verkündet hat, sich als Europa nicht in Sanktionen und Krieg gegen China instrumentalisieren zu lassen.

Die Mehrheit des Kabinetts Scholz ist gemäss Vorgabe der angelsächsischen Presse gegen deutsche Interessen für die NATO-Gefolgschaft, die deutsche Wirtschaft dagegen ist alarmiert und sähe in einer Sanktions- und Kriegsbeteiligung Deutschlands und Europas gegen China einen weltwirtschaftlichen Absturz für unsere Wirtschaft, das Ende unserer Exportüberschüsse und das Ende unseres Wohlstandssystems.

Wenn wir Sanktionen und Kriegsbeteiligung gegen China mitmachen, könnten wir die Ukraine nicht mehr finanzieren, nicht mehr mit Waffen versorgen, hunderttausende zusätzliche Flüchtlinge nicht mehr finanzieren und deshalb nicht mehr aufnehmen, nicht mehr zwei Drittel unserer Bevölkerung mit Transferleistungen – ein Drittel sogar ohne Arbeit – finanzieren, nicht mehr die unsinnigen und teuren Umweltforderungen erfüllen, die Zahlungen und Bürgschaften an die EU nicht mehr leisten und unsere eigene, üppig wachsende unproduktive Staats- und Sozialverwaltung nicht mehr aufrechterhalten.

Noch ist das grüne Experiment nicht geglückt, durch befohlene (Sanktionen) Kündigung der billigen russischen Öl- und Gasversorgung bei gleichzeitigen grünen Verboten von Atomenergie und Fossilrohstoffen als Volkswirtschaft und als Volk zu überleben. Die Garantie dazu durch einen Laien-Wirtschaftsminister und Märchenbuchautor wird niemand ernst nehmen, scheint zynisch. Nun die gleichen Fehler befehlsgemäss auch mit Sanktionen und Kriegsbeteiligung gegen China zu wiederholen, kann ausser von den Atlantikern nur von wirtschaftlichen Selbstzerstörern kommen.

Es schwebt also eine Entscheidungslage über uns, welche zwischen Gefolgschaft gegenüber der Kolonialmacht oder Selbständigkeit in eigenem Interesse zu wählen hat, zwischen Beteiligung an einem 3. Weltkrieg oder Weltfrieden für Europa, zwischen Wohlstand oder Armut, zwischen politischer oder wirtschaftlicher Selbstverantwortlichkeit und zwischen blindem Gehorsam gegenüber dem Grosskapital oder Handeln in eigenem Interesse.

Die USA haben seit dem letzten Weltkrieg mehr als 40 Kriege geführt und keinen gewonnen. Aus Vietnam und Afghanistan mussten sie flüchten – ihre Satelliten auch. Und der Ukraine-Krieg soll nach US-Willen «zunehmend von Europa getragen und finanziert werden». Sie wird wohl von den USA verlassen, obwohl sie der Urheber und Hauptgewinner dieses Krieges gegen Russland sind. Wer also allzu leichtsinnig amerikanischen Aufforderungen zu Sanktions- und Kriegsbeteiligung folgte, war bisher mehr als die USA Verlierer. Wollen wir dies gegen China im Grossversuch wiederholen?

Scholz ist wegen seiner Minister-Laienspielschar für die Entscheidungen der kommenden Wochen nicht zu beneiden. Übt er Vasallentreue, stürzen wir wirtschaftlich ab. Hat er, wie Macron, den Mut, der Kolonialmacht in deutschem Interesse zu widersprechen, würde er möglicherweise wie Gerhard Schröder persönlich abgestraft, aber unser Volk vor Krieg retten. Hier stehen aussenpolitische Pflichten gegen innerpolitisches und wirtschaftliches Überleben.

Ob Scholz für die richtige Entscheidung genügend Rückhalt und Stärke hat?

Unsere wirtschaftliche Bedeutung und unser Wohlstand werden davon abhängen.

* Prof. Dr. Eberhard Hamer (geboren 1932) ist ein deutscher Ökonom. Nach seinen Studien der Volkswirtschaft, Theologie und Rechtswissenschaften promovierte Hamer. Danach arbeitete er als Rechtsanwalt in einem Unternehmen. Anschliessend bekam er einen Ruf an die Fachhochschule Bielefeld, wo er bis zu seinem Ruhestand im Jahre 1994 als Professor für Wirtschafts- und Finanzpolitik lehrte. In den 1970er Jahren gründete er das privat geführte Mittelstandsinstitut Niedersachsen in Hannover und veröffentlichte zahlreiche Aufsätze und über 20 Bücher zum Thema Mittelstand.

Quelle: https://www.goldseiten.de/artikel/576382--Erste-Vorstufe~-Wirtschaftskrieg-gegen-China.html, 16. April 2023 © Prof. Dr. Eberhard Hamer, Mittelstandsinstitut Niedersachsen e.V.

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