Ist der Krieg ein gutes Geschäft?
von Guy Mettan,* Genf
(7. Dezember 2023) Ist Krieg ein gutes Geschäft? Wenn man sich die Zunahme von Konflikten in letzter Zeit ansieht, könnte man das meinen. Die Realität sieht, wie man sich vorstellen kann, anders aus. Die Antwort lässt sich in sechs Worten zusammenfassen: Es kommt darauf an, für wen.
Beginnen wir mit den Kosten. Nach 15 Monaten Feindseligkeiten hatte der Krieg in der Ukraine bis Ende Juli seine Sponsoren 233 Milliarden gekostet: 90,5 Milliarden für Militärhilfe, 12,2 Milliarden für humanitäre Hilfe und 130 Milliarden für die finanzielle Unterstützung des ukrainischen Haushalts. Die grössten Geber waren die Europäische Union (90 Milliarden), die USA (73), Deutschland (22), das Vereinigte Königreich (14,6), Norwegen (8) und Japan (7). Diese Ausgaben beinhalten jedoch nicht die Ausgaben der Ukraine selbst und noch weniger die Ausgaben Russlands, die auf etwa 100 Milliarden geschätzt werden können, wovon die Hälfte auf das Militär entfällt. Auch die indirekten Kosten, das heisst die Verwüstungen, die auf 450 bis 700 Milliarden geschätzt werden, sowie die Leistungen für die Flüchtlinge sind in den Ausgaben nicht enthalten.
Schätzungen zufolge kostet der Krieg Israel jeden Tag 250 Millionen Dollar, was seit dem 7. Oktober etwa zehn Milliarden Dollar entspricht. Das israelische Finanzministerium schätzt die Kosten auf 2,5 Milliarden US-Dollar pro Woche, wobei das Haushaltsdefizit bis Ende des Jahres 4% des BIP erreichen soll. Andere Schätzungen (Les Echos) gehen jedoch von 50 Milliarden für den gesamten Konflikt aus. Was die palästinensischen wirtschaftlichen Verluste betrifft, so sind sie derzeit nicht bezifferbar. In jedem Fall werden sie sich in Milliardenhöhe bewegen.
All das natürlich nur, wenn man die Verluste an Menschenleben und Verletzten – Tausende in Israel-Palästina und Hunderttausende in der Ukraine-Russland – sowie an Arbeitsplätzen und damit an entgangenem Einkommen nicht berücksichtigt.
Die Kosten sind also enorm. Aber sie sind nicht für alle verloren.
Die grossen Gewinner sind natürlich die Rüstungsindustrie, deren Umsätze und Börsenkurse in die Höhe schnellen. Dasselbe gilt für die Armeen und die Nachrichten- und Propagandadienste, deren Budgets sich aufblähen. Ganz in ihrer Nähe stehen die Energieproduzenten und -händler, deren Preise und Gewinnspannen tendenziell in die Höhe schnellen, insbesondere wenn sie sich in den USA befinden. Weiter unten auf der Liste finden sich all jene, die auf das Ende des Konflikts warten, um an den saftigen Wiederaufbaumärkten teilzunehmen, und die sich auf Konferenzen drängen, die diesem Thema gewidmet sind, wie die von Ignazio Cassis zusammengestellte Konferenz in Lugano im Sommer 2022.
Die Auswirkungen der Wirtschaftssanktionen, die Teil des Krieges sind, sind schwieriger zu bewerten. Die westlichen Sanktionen, die eigentlich einen Zusammenbruch der russischen Wirtschaft bewirken sollten, haben das Gegenteil bewirkt. Die russische Wirtschaft wächst nicht nur, sondern überhitzt aufgrund des Mangels an Arbeitskräften, während die deutsche Wirtschaft aufgrund des Mangels an billiger Energie in eine Rezession geriet und das Vereinigte Königreich von einer galoppierenden Inflation geplagt wird.
Was die langfristigen Auswirkungen betrifft, so hängen diese vom Schicksal der Waffen ab. In Palästina besteht kein Zweifel daran, dass Gaza halbwegs dem Erdboden gleichgemacht und die Hamas besiegt wird. Aber Israel könnte einen hohen Preis bei seinen Handelsbeziehungen mit den Ländern des globalen Südens zahlen, für entgangene Geschäftsmöglichkeiten mit den mittlerweile sehr feindseligen arabischen Nachbarn und für gescheiterte Entwicklungsprojekte wie die von Präsident Biden angestrebte Handelsachse mit Indien über Saudi-Arabien.
In der Ukraine ist die Zukunft weniger klar. Es ist jedoch sicher, dass das Land verwüstet und amputiert aus dem Konflikt hervorgehen wird.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Steuerzahler und die Menschen, wo auch immer sie sind, immer verlieren. Und eine Frage bleibt: Warum? Warum all diese Kriege für so unsichere und zweifelhafte Gewinne?
* Guy Mettan (1956) ist Politologe, freischaffender Journalist und Buchautor. Seine journalistische Karriere begann er 1980 bei der «Tribune de Genève» und war von 1992 bis 1998 deren Direktor und Chefredaktor. Von 1997 bis 2020 war er Direktor des «Club Suisse de la Presse» in Genf. Guy Mettan ist seit 20 Jahren Mitglied des Genfer Kantonsparlaments. |
(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)