Ungarn

Kiew dreht den Ölhahn zu und Brüssel «spielt auf Zeit»

Selbstherrliches Gebaren der EU-Kommission

aus «Ungarn heute»

(16. August 2024) (CH-S) In der Schweizer Medienlandschaft hört man kaum von den Problemen, die einzelne Staaten der Europäischen Union (EU) mit der Brüsseler Zentrale haben. Nicht ohne Grund, denn Dissonanzen zur EU sind zurzeit in der Schweizer Mainstream-Medienlandschaft nicht opportun. Versucht man doch dem Schweizer Stimmbürger eine vertiefte Anbindung an die EU schmackhaft zu machen.

Vom autokratischen Gebaren der EU-Kommission, den Korruptionsfällen oder den funktionslosen Aussengrenzen und vielem anderem mehr ist seit geraumer Zeit in der Schweizer Presselandschaft kaum noch etwas zu hören. Der «Schweizer Standpunkt» dokumentiert hier direkt aus Ungarn ein Beispiel für den Umgang der Brüsseler Bürokratie mit Budapest.

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Ölraffinerie in Ungarn. (Bild zvg)

Es ist gut möglich, dass Brüssel und sogar Ursula von der Leyen selbst der Ukraine vorgeschlagen haben, einen grossen Teil des russischen Öls nicht nach Ungarn durchzulassen, erklärte der Kommunikationsdirektor der ungarischen Fidesz-Partei gegenüber den öffentlichen Medien.

Tamás Menczer sagte gegenüber M1 und Kossuth Radio, dass die ukrainische Entscheidung die Energiesicherheit Ungarns und der Slowakei bedroht, obwohl dies durch das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine verboten ist. Brüssel, die Europäische Kommission, sollte in dieser Situation handeln, um ihre Mitgliedsstaaten zu schützen und das Abkommen zu «überwachen», hob der Kommunikationsdirektor hervor und fügte hinzu, dass dazu nichts passiere.

«Was wir zu Beginn gesagt haben, was wir immer wieder gesagt haben, muss immer deutlicher gesagt werden: Es war wahrscheinlich Brüssel oder Ursula von der Leyen selbst, die der Ukraine vorgeschlagen hat, den Ölhahn zuzudrehen», sagte Tamás Menczer.

Tamás Menczer betonte, dass es in dieser Situation rechtliche und technische Möglichkeiten gibt. Er machte auch deutlich, dass Ungarn die Ukraine nicht gleichfalls erpressen wolle, aber Tatsache sei, dass ein erheblicher Teil der von der Ukraine verbrauchten Energie – mehr als 40 Prozent des Stroms, mehr als 10 Prozent des Erdöls und Erdgases – über Ungarn in das Nachbarland gelange.

In einem Beitrag auf seinem sozialen Netzwerk schrieb Barna Pál Zsigmond, parlamentarischer Staatssekretär des Ministeriums für EU-Angelegenheiten: «Kürzlich wurde in der Presse berichtet, dass ein Dekret des ukrainischen Präsidenten, das Ende Juni in Kraft getreten ist, die Öllieferungen von Lukoil an MOL [ungarischer Erdölkonzern] über die Ukraine gestoppt hat, da das russische Unternehmen das ukrainische Pipelinenetz nicht für den Transit mieten kann». Der Staatssekretär erinnerte daran, dass Lukoil über den südlichen Abschnitt der Druschba-Pipeline der grösste Rohöllieferant für Ungarn ist.

Der ukrainische Schritt ist auch deshalb von Bedeutung, weil Lukoil etwa ein Drittel der russischen Rohölimporte von MOL gewährleistet, etwa 6–6,2 Millionen Tonnen pro Jahr, betonte er.

Er wies darauf hin, dass die EU-Führung bisher nicht auf die beispiellose Aktion der Ukraine reagiert hat, die die Ölversorgung zweier EU-Länder bedroht, und nicht bereit ist, sich für die Interessen Ungarns und der Slowakei einzusetzen. Nach Ansicht des Staatssekretärs spielt Brüssel «auf Zeit», und anstatt sofortige Massnahmen zu ergreifen, um das einseitige Vorgehen der ukrainischen Seite zu klären, das dem Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine zuwiderläuft, wartet die Kommission darauf, dass die ungarische und die slowakische Seite die Auswirkungen des feindseligen und ernsthaft illegalen Verhaltens der ukrainischen Seite auf die betroffenen Mitgliedstaaten aufzeigen.

Es sei nicht hinnehmbar, dass die Ukraine, die Mitglied der EU werden wolle, versucht, Ungarn und die Slowakei mit einem solch unfreundlichen Schritt zu erpressen, und dass die Europäische Kommission sie dabei unterstützt, indem sie auf die Ölreserven Ungarns und der Slowakei verweist und die Bedeutung der Situation herunterspielt.

Am Ende seines Beitrags erklärte er, dass Ungarn auf der Suche nach einer Lösung gemeinsam mit der Slowakei ein Konsultationsverfahren mit der Europäischen Kommission im Vorfeld des Schiedsgerichtsverfahrens eingeleitet habe, in der Hoffnung, dass diese sich letztendlich auf die Seite der Mitgliedstaaten stellen werde, denen sie ursprünglich helfen sollte.

Die Europäische Kommission sei zu dem vorläufigen Schluss gekommen, dass eine dringende Konsultation zu Lukoil-Lieferungen durch die Ukraine nicht gerechtfertigt erschiene, da es derzeit keine Anzeichen für eine unmittelbare Gefährdung der Versorgungssicherheit gäbe, erklärte ein Sprecher der EU-Kommission auf der regelmässigen täglichen Pressekonferenz der Kommission am Donnerstag [1. August] in Brüssel.

Der Sprecher sagte, dass EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis die Frage der Lukoil-Lieferungen ausführlich mit dem ukrainischen Premierminister Denys Schmyhal besprochen habe. Nach dem Treffen habe die Europäische Kommission ein zweites Schreiben an die zuständigen Minister Ungarns und der Slowakei geschickt, um die vorläufige Analyse der Brüsseler Behörde mitzuteilen und die beiden Mitgliedstaaten zu ermutigen, weitere und detaillierte Informationen zu übermitteln, sagte er.

Die vorläufige Analyse der EU-Exekutive habe ergeben, dass im Juli die fehlende Ölmenge von Lukoil durch verschiedene andere Lieferanten über dieselbe Druschba-Ölpipeline ausgeglichen worden sei. Es gäbe auch andere Alternativen für Ungarn und die Slowakei, wie z.B. die Erhöhung der Importe von der Firma JANAF, die die adriatische Ölpipeline in Kroatien betreibt. JANAF verfüge über ausreichende Kapazitäten für beide Länder, betonte ein anderer Sprecher.

MOL zufolge verlangt der kroatische Ölpipeline-Betreiber JANAF nach wie vor unverhältnismässig hohe und unfaire Preise für seine Dienstleistungen und hat diese in den letzten Jahren deutlich erhöht, so dass sie nun ein Mehrfaches des europäischen Referenzpreises betragen. JANAF kann einen möglichen Ausfall der russischen Pipeline, die «zweieinhalb Länder» – Ungarn, die Slowakei und einen Teil der Tschechischen Republik – versorgt, nicht kompensieren, da es nicht über die nötigen Kapazitäten verfügt, erklärte Péter Szijjártó im Frühjahr.

Der Aussen- und Handelsminister reagierte heute auf den Brief von Valdis Dombrovskis: «Der Brief des Vizepräsidenten beweist einmal mehr, dass sich die Ukrainer gegenüber EU-Mitgliedstaaten alles leisten können, vor allem wenn diese für den Frieden sind und keine Waffen liefern».

Er wies darauf hin, dass Kroatien kein zuverlässiges Transitland sei. Neben dem überteuerten Transitpreis und den beschränkten Kapazitäten, verwies der Minister auch auf die mangelnden kroatischen Investitionen in die Infrastruktur.

Quelle: MTI via «Ungarn Heute»: https://ungarnheute.hu/news/kiew-dreht-den-oelhahn-zu-bruessel-spielt-auf-zeit-22994/, 2. August 2024

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