Eine «False Flag»-Attacke über Polen?

Scott Ritter (Photo
David_Shankbone, wikipedia)

von Scott Ritter,* USA

(29. November 2022) Die offensichtliche Verschwörung, mit der die Nato in den Ukraine-Konflikt hineingezogen werden soll, ist eine direkte Bedrohung für alle Menschen auf dem Planeten.

Im Verlauf der Geschichte um den Abschuss einer ukrainischen Boden-Luft-Rakete vom Typ S-300 auf polnischen Boden, der auf tragische Weise zwei polnische Zivilisten das Leben kostete, zeichnen sich mehrere Erklärungsansätze ab.

Der erste ist die pawlowsche Reaktion1 einiger Nato-Staaten (Polen, Lettland, Litauen, Estland und die Tschechische Republik), die vorschnell Schlussfolgerungen zogen und verkündeten, dass es sich bei diesem Vorfall um einen eindeutigen Fall einer russischen Aggression gegen ein Nato-Mitglied handele, der eine Reaktion der Nato erfordere, einschliesslich der Ausweitung des Luftverteidigungsschutzes auf die Ukraine und der Einrichtung einer Flugverbotszone über Teilen der Ukraine. Zweitens herrschte in der Ukraine auf höchster Ebene Verwirrung über diesen Vorfall, bis hin zur Weigerung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Zelensky, zuzugeben, dass die fragliche Rakete ukrainischen Ursprungs war.

Es hat den Anschein, dass die Nato-Staaten, die nach dem Raketenzwischenfall die Inkraftsetzung von Artikel 4 der Nato-Charta2 forderten, bereits im Vorfeld dazu bereit waren. Es hat auch den Anschein, dass der eigentliche Abschuss der Rakete ohne das Wissen und die Autorität des ukrainischen Oberkommandos, einschliesslich Zelensky und seiner führenden Militärberater, erfolgte.

Dies könnte zu der Einschätzung führen, dass die nordeuropäischen Nato-Verbündeten der Ukraine einfach nur einen Kampf mit Russland suchen, und zwar mit der konzentrierten Intensität eines Lemmings, der auf eine Klippe zu rennt und sich auf jede Story stürzt, die sich so verdrehen und entstellen lässt, dass ein Eingreifen der Nato in der Ukraine für andere, weniger enthusiastische Mitgliedstaaten machbar wird.

Eine solche Einschätzung würde mit der derzeit von den meisten Nato-Mitgliedern und ihren willfährigen Stenographen in den westlichen Medien vertretenen Auffassung übereinstimmen, dass der Einschlag der ukrainischen S-300-Rakete in Polen ein tragischer Unfall war, bei dem die fragliche Rakete als Reaktion auf ein russisches Raketensperrfeuer abgefeuert wurde, bevor sie aufgrund einer Fehlfunktion vom Kurs abkam und ihr tragisches Schicksal auf dem Feld eines polnischen Bauern fand.

Eine Analyse der grundlegenden Geometrie des ukrainischen Luftverteidigungsfeldes zeigt, dass diese Darstellung einer Überprüfung nicht standhält. Eingehende russische Raketen nähern sich der Ukraine aus einer ungefähren Ost-West-Richtung. Daher ist die ukrainische Luftverteidigung so aufgebaut, dass sie von Westen nach Osten schützt, wobei die Erkennungsradare so eingerichtet sind, dass sie ankommende Ziele möglichst weit draussen erfassen, so dass die Verfolgungsradare je nach Bedarf eingeschaltet werden können, um die Boden-Luft-Raketen zu ihren Zielen zu führen. Jede S-300-Rakete, die gegen ein ankommendes russisches Ziel abgefeuert wird, würde aus einer Richtung von Westen nach Osten abgefeuert werden, wobei sie dem Radarstrahl in Richtung ihres Ziels folgt. Kurz gesagt: Eine ukrainische S-300-Rakete würde in eine Richtung abgefeuert, die ziemlich genau 180 Grad von der Flugbahn der Rakete entfernt ist, die Polen getroffen hat.

Wenn eine Rakete eine Fehlfunktion hat oder den Radarstrahl verliert, fliegt sie in der Regel in der gleichen Richtung weiter, in der sie gestartet wurde. Jede grössere Abweichung von dieser Regel würde bedeuten, dass die Steuerflächen der Rakete nicht richtig funktionieren oder beschädigt sind, was bedeutet, dass die Rakete nicht in der Lage wäre, eine einheitliche Flugbahn beizubehalten und somit ausser Kontrolle geraten würde. Damit die ukrainische S-300-Rakete Polen hätte erreichen können, hätte sie ein voll funktionsfähiges aerodynamisches Steuerungssystem benötigt. Kurzum, die Rakete hatte keine Fehlfunktion.

Luftabwehrraketen haben im Laufe der Geschichte eine inhärente Boden-Boden-Fähigkeit gehabt. Die nuklearfähige Nike-Hercules-Rakete konnte in einer Boden-Boden-Rolle eingesetzt werden. Die Iraker setzten sowjetische SA-2- und SA-3-Raketen als Boden-Boden-Raketen ein. Und die von der US-Marine und -Armee verwendete SM-6-Rakete kann Ziele sowohl in der Luft als auch am Boden treffen.

Die S-300 wurde zwar bewusst als Luftabwehrwaffe konzipiert (ihr Sprengkopf ist relativ klein und enthält zwischen 100 und 143 Kilogramm Sprengstoff), könnte aber auch als Boden-Boden-Rakete eingesetzt werden, indem sie mit ihrem Verfolgungsradar einen Strahl in die gewünschte Richtung lenkt, und zwar in einer Höhe, die es ermöglicht, eine ballistische Flugbahn zu erreichen, sobald der Treibstoff verbraucht ist. Die Rakete würde in Richtung des Strahls fliegen und dann in dem gewünschten Bogen auf den Boden fallen.

Dazu hätte jedoch ein Verfolgungsradarstrahl so eingesetzt werden müssen, dass er genau in die entgegengesetzte Richtung der ankommenden russischen Ziele, nämlich in Richtung Polen, gerichtet gewesen wäre.

Kurz gesagt, die ukrainische S-300, die in Polen gelandet ist, war nicht das Ergebnis eines Unfalls, sondern einer bewussten Aktion, die darauf abzielte, dass die Rakete auf polnischem Boden einschlug.

Die Polen untersuchen die Umstände, die zum Tod ihrer beiden Bürger geführt haben. Wenn der Abschuss der S-300-Rakete, wie es logischerweise den Anschein hat, ein vorsätzlicher Akt war, dann muss Polen die Ukrainer als Täter betrachten, die ein Verbrechen begangen haben. Daher sollte Polen verlangen, dass die Trägerrakete und die dazugehörigen Radargeräte aus dem Verkehr gezogen werden und alle Aufzeichnungen und Daten im Zusammenhang mit dem fraglichen Abschuss als Beweismittel behandelt und den zuständigen polnischen Strafverfolgungsbehörden übergeben werden. Ebenso müssen alle am Abschuss dieser Rakete beteiligten Personen festgenommen und von ausgebildeten Kriminalbeamten verhört werden.

Der ukrainische Präsident Volodymyr Zelensky bestreitet, dass die Ukraine die fragliche Rakete abgefeuert hat, und stützt sich dabei auf Informationen seiner hochrangigen Luftwaffen- und Militärkommandeure. Wenn Zelensky die Wahrheit sagt, dann gibt es eine Verschwörung innerhalb des ukrainischen Militärapparats, um einen Vorfall unter falscher Flagge zu inszenieren, um die Nato in den Konflikt hineinzuziehen. Bei einer Untersuchung der Kommando- und Kontrollverfahren, die beim Abschuss der Rakete, die Polen traf, angewandt wurden, sollte festgestellt werden können, wie hoch oben in der Befehlskette diese Verschwörung bestand.

Auch die voreiligen Schlussfolgerungen Polens und der baltischen Staaten, die Russland für den Angriff auf Polen verantwortlich machten, obwohl ihre jeweiligen Streitkräfte wussten, dass es sich um eine ukrainische Rakete handelte, deuten auf eine gewisse vorherige Abstimmung zwischen den Tätern des Angriffs und denjenigen hin, die sofort mit dem Finger auf Russland zeigten.

Es besteht kein Zweifel daran, dass jede direkte militärische Konfrontation zwischen der Nato und Russland wegen Polen das Potenzial hat, zu einem allgemeinen nuklearen Schlagabtausch zwischen den USA und Russland zu führen. Jeder in der Ukraine, in Polen und im Baltikum, der an einer Verschwörung beteiligt ist, um die Nato durch die Förderung eines Angriffs unter falscher Flagge in den Ukraine-Konflikt hineinzuziehen, stellt eine direkte Bedrohung für alle Menschen auf diesem Planeten dar.

Die USA und ihre verantwortungsvolleren Nato-Partner müssen den Ereignissen um den ukrainischen S-300-Angriff auf Polen auf den Grund gehen. Jedes Versäumnis, diese Verschwörung unter falscher Flagge, falls sie tatsächlich existiert, aufzudecken und im Keim zu ersticken, erhöht nur die Wahrscheinlichkeit, dass die an einer solchen Verschwörung Beteiligten es wieder und wieder versuchen werden, bis sie ihr selbstmörderisches Ziel eines Nato-Russland-Konflikts erreicht haben.

* Scott Ritter ist ein ehemaliger Geheimdienstoffizier des U.S. Marine Corps, der in der ehemaligen Sowjetunion bei der Umsetzung von Rüstungskontrollverträgen, im Persischen Golf während der Operation Desert Storm und im Irak bei der Überwachung der Abrüstung von Massenvernichtungswaffen diente. Sein jüngstes Buch ist Disarmament in the Time of Perestroika (Abrüstung in der Zeit der Perestroika), erschienen bei Clarity Press.

Quelle: https://www.scottritterextra.com/p/a-false-flag-over-poland?utm_source=post-email title&publication_id=6892&post_id=85384219&isFreemail=true&utm_medium=email, 18. November 2022

(Übersetzung «Schweizer Standpunkt»)

1 https://www.rt.com/news/566710-polish-missile-incident-nato/

2 https://www.nato.int/cps/en/natolive/official_texts_17120.htm

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