Ein deutscher Standpunkt

Medizinische Friedensorganisation fordert kritische Debatte über Militäreinsätze

Aus aktuellem Anlass veröffentlicht der «Schweizer Standpunkt» Analysen aus verschiedenen Regionen der Welt zu den Ereignissen in Afghanistan.

Vormarsch der Taliban in Afghanistan

Pressemitteilung der IPPNW-Deutschland vom 13. August 2021

(23. August 2021) Die aktuellen Entwicklungen in Afghanistan mit dem Vormarsch der Taliban verdeutlichen erneut das Scheitern des Militäreinsatzes. Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War) weist auf die enormen humanitären Folgen für die Menschen in Afghanistan hin.

Laut dem «Costs of War Project» starben in Afghanistan und Pakistan mindestens 238 000 Menschen in direkter Folge von Kriegshandlungen, die IPPNW geht in ihrer Studie «Body Count» davon aus, dass die Zahl der Opfer vermutlich fünf- bis achtmal so hoch liegt. Auch 3600 Soldaten und Soldatinnen der westlichen Allianz haben in Afghanistan ihr Leben gelassen, darunter knapp 60 Bundeswehrangehörige.

Die IPPNW fordert eine kritische Reflexion über diesen und andere Militäreinsätze und verweist darauf, dass alle aktuellen Auslandseinsätze völkerrechtlich und verfassungsrechtlich problematisch sind. Die Mediziner und Medizinerinnen appellieren an die Bundesregierung, sich an das Grundgesetz und das Humanitäre Völkerrecht zu halten und darüber hinaus Verstösse juristisch zu ahnden. Das Völkerrecht bietet Möglichkeiten der Konfliktbearbeitung: Deutschland muss im Rahmen der UNO agieren und nicht im Rahmen von NATO oder der «Koalition der Willigen».

Armut in den Städten und Dörfern sowie in den Flüchtlingslagern und das Fehlen ökonomischer Grundlagen erleichtern Terrorgruppen die Rekrutierung. Laut der Deutschen Welthungerhilfe nahm Afghanistan 2017 im Ranking des Human Development Index den 168. Platz von 189 Ländern ein, Menschen leiden an den Folgen der Dürren, 47 Prozent der Landbevölkerung hat laut Bericht des afghanischen Ministeriums für ländliche Entwicklung keinen Zugang zu «gesundem Trinkwasser».

Ökonomische Grundlagen für ein auskömmliches Leben sind die Voraussetzung dafür, dass Menschen sich langfristig von Krieg und Terror abwenden. Eine Zusammenarbeit mit Warlords wie in Afghanistan führt dagegen zur Verstetigung von Kampfhandlungen. Die Bundesregierung sollte stattdessen mit der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten und ziviles «Peacekeeping» unterstützen.

Asymmetrische Kriegsführung und Drohneneinsätze traumatisieren Menschen und zerstören das Vertrauen der Bevölkerung. Die IPPNW appelliert daher erneut an die Bundesregierung, keine bewaffneten Drohnen anzuschaffen und einzusetzen. Die einzige Prävention der Traumatisierung von Soldaten und Soldatinnen [und der Bevölkerung] ist die Beendigung von Auslandseinsätzen.

Kontakt: Angelika Wilmen, IPPNW, wilmen@ippnw.de

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