Aus Verfassungsschutz wird Staatssicherheit

Vera Lengsfeld
(Bild vera-lengsfeld.de)

von Vera Lengsfeld*

(29. Mai 2021) red. Vera Lengsfeld weist im vorliegenden Artikel einen gefährlichen Rechtsabbau in Deutschland nach. Ihr Blick für Recht und Demokratie ist geschärft. Sie hat mit ihrem Einsatz schon in der damaligen DDR unter schwierigsten Bedingungen Scharfsinn, Mut und Aufrichtigkeit bewiesen.

Seit der neue Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang im Amt ist, wird der Verfassungsschutz aus einer Institution zum Schutz der Verfassung und damit des Rechtsstaates zu einem Instrument zum Schutz der Politik umgebaut. Der neueste Schritt ist zugleich der bisher weitestgehende.

Die «Querdenker», wer immer das sein soll, denn es handelt sich hier weder um eine Partei oder Organisation, noch ein Verein, sollen bundesweit beobachtet werden. Aber wer sind sie? Schlägt man bei Wikipedia nach, findet man folgende Verweise: Querdenker heisst eine deutschsprachige Wirtschaftszeitschrift, ist der deutsche Name eines Brettspiels, oder eine Person, die kreative Denkmethoden, so genanntes laterales Denken verwendet, das im Rahmen der Anwendung von Kreativitätstechniken zur Lösung von Problemen oder Ideenfindung eingesetzt wird.

An letzter Stelle steht für Querdenken eine in Stuttgart gegründete Initiative der Proteste gegen Schutzmassnahmen wegen der COVID-19-Pandemie in Deutschland.

Wen also beobachtet der Verfassungsschutz nun bundesweit? Personen, die Lösungen für die Probleme finden wollen, die es in Merkel-Deutschland inzwischen in erdrückender Anzahl gibt? Weil nicht Mitdenken und aktiv Einbringen gefragt ist, sondern Gehorsamkeit, also Untertanengeist? Und wer kein Untertan, sondern mündiger Bürger sein will, bei dem wird Überwachung und Bestrafung angeordnet?

Um das überhaupt machen zu können, wurde laut Innenministerium des Bundes eine neue Kategorie geschaffen, bei der es um die «Delegitimierung des Staates» geht.

Damit darf der Verfassungsschutz nun beispielsweise Daten zu bestimmten Personen und Gruppen, die willkürlich als Querdenker bezeichnet werden können, sammeln. Also, von allen, die den Schlapphüten oder den Politikern auffallen. Jede noch so berechtigte Kritik an den immer bizarrer, kontraproduktiver, verfassungsfeindlicher werdenden Massnahmen der Regierung kann nun mit Beobachtung durch den Verfassungsschutz beantwortet werden. Es handelt sich also um ein Instrument zur massiven Einschüchterung der Bevölkerung. Schon werden alle Schauspieler, die ihre Videos von #allesdichtmachen noch nicht zurückgezogen haben dazu geraten, dies schleunigst zu tun, um sich nicht der Beobachtung auszusetzen.

Insgesamt befürchtet die Behörde, heisst es, dass die im Zuge der Proteste gegen die Corona-Massnahmen verbreiteten Verschwörungstheorien auch nach dem Ende der Pandemie nicht verschwinden werden. Da die Querdenker keinem der bisher bekannten vom Verfassungsschutz zu beobachtenden Gefährder wie etwa Rechtsextremismus, Linksextremismus oder Islamismus zuzuordnen sei, sei diese neue Kategorie «Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates» geschaffen worden.

Die neue Kategorisierung ermögliche sowohl eine Bearbeitung als Verdachtsfall als auch als erwiesen extremistische Bestrebung. Das heisst, Querdenker sind nicht extremistisch, weil sie Autos anzünden, Schaufensterscheiben einschmeissen, Restaurants und Buchläden mit Buttersäure attackieren oder, wie eben in Thüringen geschehen, Gebäude, in denen sich «Rechte» treffen anzünden oder Politiker körperlich angreifen. Sie sind nicht extremistisch, weil sie Ausländer oder deren Unterkünfte attackieren, nicht weil sie LKWs in Weihnachtsmärkte lenken, mit Rucksackbomben auf Volksfeste schleichen oder untreue Frauen verstümmeln oder töten.

Sie sind extremistisch, ohne extremistische Taten zu verüben, weil per Definition die Kritik an der Politik und den von ihr verhängten Massnahmen als extremistisch gilt. Das öffnet der Willkür Tür und Tor. Es gibt keinen Verfassungsschutz mehr, wie er von den Schöpfern unseres Grundgesetzes gedacht war, sondern er wurde umfunktioniert in ein Unterdrückungsinstrument gegen die Bevölkerung. Das dies nicht nur geschieht, sondern auch noch öffentlich verkündet und von den Altmedien kritiklos bis zustimmend verbreitet wird, zeigt, wie weit sich Merkel-Deutschland von Rechtsstaatlichkeit entfernt hat.

Wer dazu schweigt, stimmt zu!

* Vera Lengsfeld wurde 1952 in der DDR geboren. Sie studierte Geschichte und Philosophie. Seit den 70er Jahren war sie in der Opposition gegen das SED-Regime aktiv, engagierte sich in der Friedens- und Umweltbewegung. Aufgrund ihres Engagements in der Bürgerrechtsbewegung wurde sie aus der SED ausgeschlossen, erhielt Berufs- und Reiseverbot, wurde verhaftet und schliesslich in den Westen abgeschoben. Am 9. November, Tag des Mauerfalls, kehrte sie in die DDR zurück. Sie arbeitete aktiv in der Verfassungskommission des «Runden Tisches» mit, war Mitglied der ersten und letzten frei gewählten Volkskammer der DDR. Auch nach der Wende setzte sie ihren Einsatz für Demokratie, Frieden und Gerechtigkeit fort. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages. Heute ist sie freischaffende Autorin. Ihren aufrechten Gang hat sie beibehalten, ihr Engagement ist ungebrochen.

Quelle: https://vera-lengsfeld.de/2021/04/28/aus-verfassungsschutz-wird-staatssicherheit/?utm_source=mailpoet&utm_medium=email&utm_campaign=NL-Post-Notifications
Erstveröffentlichung 28. April 2021

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