Schweiz

Bundesrat winkt Rahmenverträge 2.0 mit EU durch

Verspielt der Bundesrat sein wertvollstes Kapital?

  • Das wertvollste Kapital der Schweiz ist das Vertrauen der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger in die Landesregierung. Damit spielt der Bundesrat, indem er die Rahmenverträge mit der EU nach dem Prinzip «Augen zu und durch» durchwinkt.
  • Das Abkommen zwingt die Schweiz, Gesetze «made in Brüssel» unreflektiert zu übernehmen – oder Sanktionen in Kauf zu nehmen. Für die Wirtschaft bedeutet dies, sich für mehr Bürokratie zu wappnen.
  • autonomiesuisse appelliert an Parlament und Volk, das Erfolgsmodell Schweiz zu retten – und an den Bundesrat, sich mehr auf das Schweizer Volk als auf Brüsseler Beamte zu hören.

Über uns

autonomiesuisse ist eine breit abgestützte Initiative von Schweizer Unternehmern und Persönlichkeiten aus der Wirtschaft aus der politischen Mitte. Sie setzt sich für eine partnerschaftliche wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Staaten der EU, aber auch weltweit, ein. Die politische Unabhängigkeit sichert der Schweiz gute Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Gesellschaft. Das darauf basierende Erfolgsmodell Schweiz soll auch in Zukunft Bestand haben.
autonomiesuisse zählt rund 900 Mitglieder. Wer einen Beitrag zu einer weltoffenen, erfolgreichen und freien Schweiz leisten will, kann sich auf autonomiesuisse.ch/de/mitmachen einbringen.

Gesetze «made in Brüssel» statt in Bern

Die EU hat nie einen Hehl daraus gemacht: Sie will die Schweiz institutionell einbinden. Mit den vom Bundesrat durchgewinkten Rahmenverträgen 2.0 ist sie diesem Ziel einen grossen Schritt nähergekommen.

Damit unterwirft sich die Schweiz den Verfahren und Strukturen der EU. Sie muss dynamisch EU-Recht übernehmen, wird von der EU-Kommission überwacht – und im Streitfall hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Auslegungsmonopol.

Im Schnitt entsteht in Brüssel jeden Tag ein neues Gesetz. Und egal, was die Beamten dort aushecken: Die Schweiz muss es umsetzen, wenn die EU es für «binnenmarktrelevant» erklärt. Lehnen Parlament oder Volk das Gesetz ab, greift die EU zu Gegenmassnahmen. Dabei kann sie frei wählen, in welchem der Verträge sie Sanktionen verordnen will. Zusätzlich hängt über jedem Schweizer Volksentscheid ein Damoklesschwert. Denn der EuGH kann ihn als «nicht binnenmarktkonform» einstufen – und kippen.

Institutionalisierung der Nadelstiche

Das letzte Wort hat nicht mehr das Volk, sondern der EuGH. Die Schweiz kann sich der Rechtsprechung zwar widersetzen, muss dann aber Sanktionen der EU-Kommission in Kauf nehmen. Hat uns die EU bisher schon mit vereinzelten Nadelstichen gequält, so kann sie nun offiziell zum Hammer greifen. Ein solches Gebaren nach dem Motto «Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt» widerspricht dem Schweizer Demokratieverständnis. Die Rahmenverträge delegieren nicht nur die Gesetzgebung an Brüssel, sondern torpedieren auch die Rechtssicherheit und die direkte Demokratie.

Vertrauen in Staat schwindet

Es spricht für sich, wenn der Bundesrat die peripheren Einzelinteressen einiger Grosskonzerne mit Expats an der Spitze höher gewichtet als die über mehr als 150 Jahre gewachsene direkte Demokratie. Noch beunruhigender ist aber, dass der Bundesrat das Gespür für die Stimmung im Volk zu verlieren scheint. Denn mit seiner Vogel-Strauss-Politik droht er das Kostbarste zu verspielen: das Vertrauen des Volkes.

Gemäss einer Studie der OECD (2024) hat die Schweizer Bevölkerung im internationalen Vergleich das höchste Vertrauen in den Staat. Doch das Vertrauen in den Bundesrat erodiert seit der Coronapandemie, wie aktuelle Zahlen des Forschungsinstituts gfs.bern zeigen. Mit seinem jüngsten Entscheid beschleunigt der Bundesrat diesen Trend selbst.

EU-Nostalgie: Bundesrat blickt zurück statt nach vorne!

Als unternehmerische Bewegung ist autonomiesuisse nach wie vor überzeugt, dass die Schweiz keinen Rahmenvertrag braucht. Erstens hat die Schweiz seit 1971 ein Freihandelsabkommen mit der EU. Zweitens exportieren Nationen wie China und die USA ohne jegliches Abkommen mindestens so erfolgreich in das Konstrukt «Binnenmarkt EU» wie die Schweiz. Der wichtigste Faktor für den Exporterfolg sind nicht Verträge, sondern innovative Produkte und Dienstleistungen.

Müsste eine Unternehmensberatung den Bundesrat und seine Verwaltung unter die Lupe nehmen, würde sie wohl diagnostizieren, dass sie in den 90er-Jahren stehen geblieben sind. Damals galt Deutschland als Konjunkturlokomotive Europas und Frankreich als «Grande Nation». Für die Schweiz war die EU der wichtigste Exportmarkt. Tempi passati. Heute machen Deutschland und Frankreich vor allem mit Schuldenbergen und verkrusteten Strukturen von sich reden.

Wie lange bleibt die Schweiz noch in der ersten Liga?

Die USA sind mittlerweile vor Deutschland der wichtigste Handelspartner der Schweiz. Das Wachstum findet weitgehend ausserhalb Europas statt. Noch kann die Schweiz attraktive Rahmenbedingungen bieten, doch wenn sie sich am bürokratischen Brüssel orientieren müsste, dürften diese bald erodieren. Hightechfirmen wie jüngst OpenAI und Anthropic werden sich dann nicht mehr in Zürich ansiedeln. Mittelfristig schaden die Rahmenverträge also der Wirtschaft. Der Innovationsweltmeister Schweiz darf sein Erfolgsmodell nicht wegen ein paar Exportdokumenten über Bord werfen.

In der politischen Diskussion fällt auf, dass die Befürworter der EU-Anbindung kaum Argumente vorbringen, sondern Gefühle heraufbeschwören («Die Schweiz liegt im Herzen Europas», «Wir bilden eine Wertegemeinschaft», «Verträge mit der EU erodieren»).

Solide Bande: 120 Verträge mit EU

Wenn harte Fakten gefragt sind, verweisen die EU-Befürworter lediglich auf den Brexit Grossbritanniens, bei dem es nur Verlierer gegeben habe. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass solche Analysen stets von EU-Befürwortern stammen. Zudem hinkt der Vergleich: Im Gegensatz zu Grossbritannien verfügt die Schweiz über 120 bestehende Verträge mit der EU, von denen beide Seiten profitieren. Die EU erzielt mit der Schweiz regelmässig einen Handelsbilanzüberschuss. Mit einer Kündigung der heute gültigen Verträge mit der EU rechnet niemand. Damit würde sich die EU ins eigene Bein schiessen. Wer unternehmerisch denkt, sieht den Tatsachen ins Auge: Auch einzelne Zugeständnisse – etwa eine Ventilklausel bei der Personenfreizügigkeit – ändern nichts daran, dass die Schweiz mit den Rahmenverträgen an ihrem Erfolgsmodell sägt.

Volk muss Ruder herumreissen

Nach Auffassung von autonomiesuisse sind die Rahmenverträge 2.0 dem Staatsvertragsreferendum zu unterstellen. Jeder Vertrag, der so tief in die Strukturen der Schweiz eingreift, braucht das doppelte Mehr von Volk und Ständen. Es liegt nun am Parlament und am Volk, die Schlinge zu lösen, mit der uns der Bundesrat an das stark schlingernde Schiff EU ketten will. Jede Verbesserung der internen Spielregeln bringt der Schweizer Wirtschaft mehr als neue EU-Richtlinien. Auch Versorgungsfragen wie die Stromversorgung sind ureigene Staatsaufgaben. Um im Wettbewerb die Nase vorn zu haben, muss die Schweiz deshalb ihre Rahmenbedingungen verbessern. Das kann sie nicht an Beamte im Ausland delegieren. Die wichtigste Voraussetzung für den Erfolg der Schweiz bleibt deshalb das, wofür sie seit über 700 Jahren kämpft: ihre Unabhängigkeit.

autonomiesuisse vertritt die Interessen der Unternehmen, welche am Standort Schweiz produzieren und hier Arbeitsplätze erhalten und aufbauen wollen. Aus dieser Perspektive wird sie die Verträge, die im Frühling 2025 publiziert werden sollen, sehr genau unter die Lupe nehmen.

Quelle: Medienmitteilung autonomiesuisse, 20. Dezember 2024

Kontakt

Als Leitungsausschuss des Co-Präsidiums von autonomiesuisse stehen wir Ihnen gerne für Auskünfte rund um das Rahmenabkommen Schweiz-EU aus wirtschaftlicher und unternehmerischer Perspektive zur Verfügung.

Dr. Hans-Jörg Bertschi, +41 79 330 50 72, hans-joerg.bertschi@bertschi.com

Prof. em. Dr. Giorgio Behr, +41 79 430 44 21, giorgio@behr.ch

Dr. Alexandra Janssen, +41 79 725 95 26, alexandra.janssen@ecofin.ch

Dr. Hans-Peter Zehnder, +41 79 330 58 08, hans-peter.zehnder@zehndergroup.com

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