Eidgenössische Abstimmung vom 25.September 2022

Massentierhaltungsinitiative unnötig und schädlich!

Beitrag des «Schweizerischer Bäuerinnen- und Landfrauenverband» (SBLV)

(5. September 2022) Die Volksinitiative «Keine Massentierhaltung in der Schweiz» kommt am 25. September 2022 vors Volk. Bundesrat, Parlament und die Landwirtschaft erachten sie als unnötig, weil das Schweizer Tierwohlniveau weltweit unerreicht ist und das von der Initiative geforderte Angebot bereits in mehr als ausreichendem Umfang zur Verfügung steht.

Der Bundesrat, das Parlament, sowie eine breite Allianz aus (Land)Wirtschaft lehnen diese Initiative ab. Deren Annahme hätte beträchtliche negative Folgen für die gesamte Wirtschaft der Schweiz.

Abstimmungstext

Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert:

  Art. 80a Landwirtschaftliche Tierhaltung
1 Der Bund schützt die Würde des Tieres in der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Die Tierwürde umfasst den Anspruch, nicht in Massentierhaltung zu leben.
2
Massentierhaltung bezeichnet die industrielle Tierhaltung zur möglichst effizienten Gewinnung tierischer Erzeugnisse, bei der das Tierwohl systematisch verletzt wird.
3


Der Bund legt Kriterien insbesondere für eine tierfreundliche Unterbringung und Pflege, den Zugang ins Freie, die Schlachtung und die maximale Gruppengrösse je
Stall fest.
4 Er erlässt Vorschriften über die Einfuhr von Tieren und tierischen Erzeugnissen zu Ernährungszwecken, die diesem Artikel Rechnung tragen.
  Art. 197 Übergangsbestimmung zu Art. 80a. […]

Auswirkungen auf die Schweizer (Land)Wirtschaft

Würde die Initiative angenommen, hätte dies massive Folgen auf die einheimische Produktion von tierischen Produkten. So würde die Produktion von Schweizer Pouletfleisch von heute 56% auf 5% sinken oder bei den Eiern auf 20%. Welche Auswirkungen dies auf die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten hat, ist offen.

Es ist höchst fraglich, ob die top-down-Umsetzung der von der Initiative geforderten Auflagen zu einer nachhaltigen Veränderung des Konsums führen wird. Entsprechend müsste damit gerechnet werden, dass viel mehr tierische Lebensmittel aus dem Ausland in die Schweiz gelangen würden.

Weiter kann festgestellt werden, dass die Initiative zu einem signifikanten Preisanstieg (Fr. 1800.– pro Jahr für einen 4-Personen-Haushalt) bei Poulet- und Schweinefleisch führen und damit auch den Einkaufstourismus ankurbeln würde. Aufgrund der verschiedenen Auswirkungen gäbe es erhebliche Arbeitsplatzverluste, sowohl in der Landwirtschaft, wie auch in sämtlichen vor- und nachgelagerten Betrieben.

Strengstes Tierschutzgesetz der Welt

Die Schweiz zeichnet sich bereits durch ein weltweit einzigartig strenges Tierschutzgesetz bzw. Tierschutzverordnung aus. Dieses sorgt für eine limitierte Anzahl Tiere bei Hühnern, Schweinen und Kälbern, die ein Betrieb halten darf, sowie für ein funktionierendes Kontrollsystem. Vergleiche mit dem nahen und fernen Ausland zeigen dies eindrücklich.

So werden in Deutschland pro Betrieb im Durchschnitt 826 Schweine gehalten, in der Schweiz 240. Die Batteriehaltung von Legehennen ist in der Schweiz seit 1992 verboten. In der EU gilt erst ab 2027 ein gänzliches Verbot.

Darüber hinaus gibt es zusätzliche Anforderungen, die entweder auf den freiwilligen Programmen von besonders tierfreundlichen Ställen oder regelmässigem Auslauf im Freien beruhen.

Einige Labels wie IP Suisse, Bio Suisse, Demeter oder KAG-Freiland gehen gar noch weiter. Leider ist deren Anteil am Gesamtmarkt gering und das Angebot an besonders tierfreundlich produzierten einheimischen Lebensmitteln ist grösser als die Nachfrage!

So lassen sich beispielsweise nur 30 Prozent aller Mastschweine über ein Tierwohllabel mit Mehrwert verkaufen, obwohl über 60 Prozent aller Mastschweine in einem besonders tierfreundlichen Stall leben und auch nach Draussen können.

Jede und jeder kann entsprechend einkaufen und das Tierwohl so zusätzlich fördern. Die Initiative ist also gar nicht nötig.

Geforderten Importrestriktionen nicht umsetzbar

Die Initiative bezieht auch den Import von tierischen Produkten mit ein und verlangt strikte Importverbote von Produkten, welche nicht nach schweizerischem Standard produziert wurden. Die geforderten Einfuhrrestriktionen können aber nicht umgesetzt werden – WTO-Verpflichtungen erlauben dies nicht.

So entstehen ungleich lange Spiesse für Schweizer Landwirtschaft und ausländische Anbieter. Es besteht die Gefahr einer Verlagerung tierischer Produktion ins Ausland mit tieferen Tierwohlnormen, sowie einem Export von Umwelt-Emissionen.

Das Ziel der Massentierhaltungsinitiative (MTI) sei das «Ende der industriellen Nutztierhaltung in der Schweiz.» Massentierhaltung wird folgendermassen definiert: «Technisierte Tierhaltung in Grossbetrieben zur Gewinnung möglichst vieler tierischer Produkte, bei der das Tierwohl systematisch verletzt wird.»

Die Tierhaltung solle den Bio Suisse-Vorgaben von 2018 entsprechen. Es sollen Importauflagen eingeführt werden, das Ganze mit einer Übergangsfrist von 25 Jahren. Diese relativ lange Übergangszeit zeigt, dass die Initianten verstanden haben, dass es sich bei Ställen um langfristige Investitionen handelt. Doch erste Ställe müssen bereits im Jahr nach der Abstimmung gemäss den Vorgaben der Initiative erneuert werden. Die Folgen wären deshalb mehr oder weniger sofort zu spüren.

Leserbrief

Denn sie wissen nicht, wie sehr die Konsequenzen bei einer Annahme der MTI die Bauernfamilien gefährden

Unsere Bauernfamilien kümmern sich an 365 Tagen im Jahr gut um ihre Tiere. Die einheimische Tierhaltung basiert auf Familienbetrieben mit überschaubaren Tierbeständen. Lernende finden Ausbildungsplätze in der Landwirtschaft. Tausende Arbeitsplätze bestehen in den nachgelagerten Betrieben.
Welche Zukunftsperspektiven haben junge Bauernfamilien noch, wenn zum Beispiel die Legehennenhaltung aufgegeben werden muss? Es gibt Betriebe, die nach Aufgabe der Milchviehhaltung in die Eierproduktion eingestiegen sind. Dies nach jahrelangem Warten auf eine Bewilligung. Ein paar Jahre dürfen solche Betriebe wirtschaften, haben Freude an den Tieren, bemühen sich absolut um das Tierwohl und dann stehen sie plötzlich vor der Entscheidung Betriebsaufgabe oder den Betrieb im Nebenerwerb weiter zu führen. Mann und Frau müssten einem Zuerwerb nachgehen. Auch würden bei solchen Höfen Ausbildungsplätze sowie Teilzeitpensen wegfallen. Wie sollen nun die Amortisierungen getätigt werden für den noch lange nicht abbezahlten Legehennenstall?
Die Umsetzung der Initiative würde Tausende von zusätzlichen Ställen nötig machen. Doch welcher Landwirt hat noch Energie, in einen neuen Stall zu investieren? Die Tierbestände würden also sinken. Und die Folge davon: mehr Importe. Und für diese Importe sollten ebenfalls strengere Regeln gelten. Doch es muss davon ausgegangen werden, dass bei den Importen keine gleichwertigen Tierschutzvorgaben durchgesetzt werden könnten. Wir vernichten mit der Annahme der Massentierhaltungs-Initiative sehr viel in unserem Land. Sind sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger dessen bewusst?

Beatrice Brändle, 8357 Guntershausen TG

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